Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rache des Samurai

Die Rache des Samurai

Titel: Die Rache des Samurai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
Vom Netzwerk:
Posten.
    »Ich heiße Udoguchi«, flüsterte der Mann, der offensichtlich mit den Nerven herunter war; denn immer wieder rieb er sich die Hände an seinem kurzen grauen Kimono. »Ich habe den Kopf des Toten gefunden.«
    Trotz Hiratas Bemühungen, die Menge auseinanderzutreiben, hatten sich Lauscher um Sano und seine drei Zeugen geschart. Sano wandte sich an den alten Mann. »Können wir uns in Eurem Geschäft weiter unterhalten?«
    Nachdem er ängstliche Blicke mit seiner Frau getauscht hatte, nickte der Ladenbesitzer. »Natürlich, Herr.« Er hob den indigofarbenen Tuchvorhang in die Höhe, der vom Dachfirst herunter bis zur halben Höhe des Ladeneingangs hing. Sano trat ein; der Wachposten kam hinter ihm her.
    Die Apotheke war nach dem gleichen Schema angelegt wie die meisten Geschäfte in Edo – ein Mittelgang verlief zwischen dem zu beiden Seiten erhöhten Bretterfußboden, und an der niedrigen Decke befanden sich Dachfenster, um zur Beleuchtung beizutragen; ansonsten wurde das Innere nur von dem Licht erhellt, das durch den offenen Ladeneingang fiel. Die Schränke und Regale der Apotheke waren bis zum Bersten mit Heilmitteln gefüllt: Tongefäße, die Pflanzenextrakte enthielten; Schalen mit getrockneten Ginsengwurzeln; Kästchen voller Kräuter und Nüsse; in Scheiben gesägtes Rentierhorn und verschiedene Pulver; weitere Regale standen voller Schachteln, in denen sich Mittel von unerfindlicher Herkunft befanden. Die verschiedensten Gerüche – bitter, süß, sauer und moschusartig – erfüllten die Luft. Nachdem Sano die Umgebung in sich aufgenommen hatte, setzte er sich auf die Kante des erhöht liegenden Fußbodens und bat die drei Zeugen, sich zu ihm zu setzen.
    Zum erstenmal meldete die alte Frau sich zu Wort. »Wo bleiben deine Manieren, Mann? Wir müssen unserem Gast eine Erfrischung anbieten!« Zu Sano sagte sie: »Erweist uns bitte die Ehre, Herr, und trinkt in unserem bescheidenen Laden eine Schale Tee mit uns.«
    Sano mußte daran denen, daß sein neues Amt ihm Möglichkeiten eröffnete, die ihm bei den Nachforschungen in seinem ersten Mordfall, als er noch Polizei-Bezirksvorsteher gewesen war, verschlossen gewesen waren; außerdem waren die Zeugen freundlicher und bereitwilliger, bei der Aufklärung eines Falles zu helfen. »Ausgezeichnet«, sagte Sano, nachdem der Ginseng-Tee serviert worden war und er einen Schluck genommen hatte. Seine Gastgeber entspannten sich, lächelten und nahmen nun ebenfalls auf der Fußbodenkante Platz.
    »Wie habt Ihr den Körper gefunden?« fragte Sano.
    »Nun«, sagte Tarō, »als wir heute morgen die Tür unseres Ladens geöffnet haben, lag er da, mitten auf der Straße, in einer Pfütze aus seinem eigenen Blut.« Im Unterschied zu dem Wachposten zeigte der alte Mann keine Anzeichen von Erschrecken oder Unbehagen. Wahrscheinlich hatte er in seinem langen Leben so viele schreckliche Dinge gesehen, daß der Mord ihn nicht sonderlich schockiert hatte.
    »Um welche Zeit war das?« fragte Sano.
    »Oh, noch vor Sonnenaufgang«, sagte Tarō. »An dieser Straße öffnet unser Laden am Morgen immer als erster und schließt am Abend als letzter. Deshalb gehen unsere Geschäfte so gut.« Er wies zum Eingang, wo Hirata einigen Kunden erklärte, daß der Laden vorerst geschlossen sei.
    »Habt Ihr letzte Nacht irgend etwas Verdächtiges gehört oder gesehen?«
    Das Paar nahm eine nachdenkliche Haltung an, die sich auf komische Weise ähnelte: beide legten einen Finger an die Wange, und die Augen wurden schmal. Dann schüttelten Tarō und seine Frau bedauernd die Köpfe, und der Apotheker antwortete: »Nein, Herr. Wir arbeiten den ganzen Tag so hart, daß wir nachts tief und fest schlafen.«
    Die alte Frau seufzte. »Der arme Mann. Daß so etwas gerade einem so harmlosen Menschen passieren muß!«
    »Soll das heißen, Ihr habt Kaibara gekannt?« Sano war erstaunt. Woher konnten diese beiden gemeinen Bürger einen so hochrangigen Tokugawa -hatamoto gekannt haben, der wahrscheinlich Diener beschäftigt hatte, die Botengänge und Einkäufe für ihn erledigten?
    »Oh, ja«, sagte der Apotheker. »Nicht dem Namen nach – jedenfalls nicht bis heute. Aber wir kannten ihn seit dem letzten Jahr. Er ist oft auf der Straße spazierengegangen. Am Tag und in der Nacht.«
    Sano fragte sich, ob die Ermordung Kaibaras letztlich ein Angriff auf die Tokugawa gewesen war, wie der Shōgun vermutete, oder ob die Tat ausschließlich Kaibara gegolten hatte und von jemandem verübt worden war, der die

Weitere Kostenlose Bücher