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Die Rache des schönen Geschlechts

Titel: Die Rache des schönen Geschlechts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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zubereitete Meerbarben mit Tomatensauce, er wärmte sie auf und führte sie sich zu Gemüte. Nach dem Essen spülte er sorgfältig ab, um die Spuren des pesto alla trapanese zu verwischen, denn wenn Adelina am nächsten Tag etwas davon merkte, schimpfte sie womöglich. Gewissenhaft stopfte er sogar das leere Glas ganz unten in die Mülltüte. Dann setzte er sich vor den Fernseher, zufrieden wie ein Mörder, der sicher ist, alle Spuren seiner Tat beseitigt zu haben. Der erste Bericht in den Nachrichten von >Televigata< war natürlich dem Mord an Gerlando Piccolo gewidmet. Nachdem er etliche Außenaufnahmen des Hauses gezeigt hatte, erklärte der Reporter, der Galluzzos Schwager war, er habe sich ein kurzes Amateurvideo über Grazia, die mutige Nichte des Opfers, besorgen können. Stolz fügte er hinzu, es handle sich um eine Sensation, denn es gebe keine anderen Bilder von dem Mädchen. Montalbano traute seinen Ohren nicht. Wo hatte er dieses Video her? Es gab keinen Ton, man sah das Mädchen in einer Küche hantieren, die nicht die Küche im Haus der Piccolos war. Grazia trug ein elegantes Kleid und war hübsch geschminkt. Doch sie bewegte sich wie sonst, angespannt wie eine Katze in Gegenwart von etwas Fremdem, das sich als gefährlich erweisen könnte. Dann zoomte die Kamera ihr Gesicht heran, und der Commissario merkte, wie schön sie war, von einer geheimnisvollen und gefährlichen Schönheit. Für einen Augenblick schien die Kamera die Macht zu haben, etwas für das bloße Auge Rätselhaftes und Unsichtbares sichtbar zu machen. Grazia hatte die Gesichtszüge mancher Heldinnen aus amerikanischen Western, einer Frau, die sich mit der Flinte zu verteidigen weiß. Eine Stimme aus dem Off sagte, sie solle lächeln, und sie versuchte es, aber sie verzog nur die Lippen über kleinen, spitzen, schneeweißen Zähnen. Eine Tigerin, die drohend fauchte. Dann folgte ein anderer Bericht, und der Commissario schaltete um. Aber wenn jemand ihn gefragt hätte, was seine Augen sahen, hätte er sicher nicht antworten können, zu sehr hingen seine Gedanken einer Frage nach: Wie waren die von >Televigata< an das Material gekommen? Er hätte gleich Galluzzos Schwager anrufen und so das Problem lösen können. Aber diese Genugtuung gönnte er ihm nicht. Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen, die Antwort war schlicht, klar, eindeutig, die einzig mögliche. Und sie beunruhigte ihn sehr.
    Vor dem Schlafengehen rief er Livia an und erzählte ihr von seinem Tag. Schwierig wurde es in dem Augenblick, da er von seiner Überraschung sprach, als er Grazia im Fernsehen gesehen hatte und sie ihm so anders vorgekommen war, als er sie am Morgen erlebt hatte. »Na ja«, sagte Livia, »wenn dieses Video vor dem Mord gemacht wurde, ist es doch nur normal, dass das Mädchen ruhig und fröhlich aussieht.«
    »Damit hat es nichts zu tun«, entgegnete Montalbano.
    »Eine, wie soll ich sagen, unerwartete und merkwürdige
    Schönheit.«
    »Dann ist sie eben sehr fotogen«, fiel Livia ihm ins Wort.
    »Es geht nicht darum, ob sie fotogen ist.«
    »Worum denn dann?« »Es war, als ob die Kamera Röntgenstrahlen hätte, ich kann das nicht so gut erklären, ich hab's ja selber nicht richtig kapiert. Es war, als ob.«
    »Müssen wir noch lange davon reden?«
    »Weißt du, wenn ich darüber reden kann, sehe ich selbst klarer.«
    »Darf ich dich was fragen?«
    »Natürlich.«
    »Siehst du die Schönheit einer Frau nur auf Bildern?«
    »Das hat doch damit nichts zu tun!«
    »Und ob. Denn wenn das so ist, lasse ich ein Video von mir machen und schicke dir die Kassette.«
    »Musst du eigentlich immer alles auf dich beziehen?«
    Und schon fing der Streit an.
    Wer weiß, warum, aber als er die Augen aufschlug und nach einem Blick durch das offene Fenster sah, dass sich ein dunkler und windiger Tag anbahnte, fiel ihm ein Spruch ein, den sein Vater immer gesagt hatte, wenn er frühmorgens aufstand: »Des Morgens musst du viel versprechen, heimtückisch wird der Tag sich rächen.«
    Der Vater fühlte sich vom Leben verarscht, vom alltäglichen Leben, aber das begriff Montalbano erst viel später. Gut, sein Vater war ein ernsthafter Mann, er gelobte Tag für Tag neuerlichen Einsatz und hielt sich auch an sein Versprechen. Aber er selbst fühlte sich, als er aufstand, um zu duschen, und in sich ging, zu keinem neuerlichen Versprechen imstande, weder sich selbst noch dem Rest der Welt gegenüber. Er hatte nur Lust, wieder ins Bett zu schlüpfen, sich die Decke über

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