Die Rache des stolzen Griechen
zu einer förmlichen Anrede zurückkehren sollte. „Ich … Da ist etwas, worüber ich noch mit dir sprechen …“
Clare war wie vor den Kopf gestoßen, als er abrupt aufstand, ohne sie ausreden zu lassen.
„Was immer es ist, es wird warten müssen“, erklärte er ihr in einem Ton, der sie frösteln ließ. „Ich muss in Kürze im Krankenhaus sein.“
„Oh.“ Bevor ihr seine Worte richtig ins Bewusstsein gesickert waren, hatte er schon die Tür erreicht. Clare atmete auf. Seine schlechte Laune schien also nicht mit ihr, sondern mit seinem Onkel zu tun zu haben. Er musste sich große Sorgen um ihn machen. „Lazar, es tut mir leid“, sagte sie mit einem teilnahmsvollen Lächeln, als er sich kurz zu ihr umdrehte. „Geht es deinem Onkel schlechter?“
Seine Züge wurden hart. „Nein, es geht ihm von Stunde zu Stunde besser“, erwiderte er sarkastisch.
Hätte er ihr eine Ohrfeige versetzt, hätte Clare sich nicht verletzter fühlen können. Ohne abzuwarten, welche Wirkung seine Bemerkung auf sie hatte, ging er hinaus.
Ihr Blick fiel auf seinen Teller, auf dem die Biskuits und der Käse noch unberührt lagen. Lazar kann mich nicht ertragen, dachte sie verzweifelt. Dann durchzuckte sie ein Gedanke, und sie wunderte sich darüber, warum er ihr nicht gleich gekommen war.
Es musste mit ihrem Geständnis zusammenhängen. Offenbar hatte sie ihm damit den Appetit verdorben. Wahrscheinlich verursachte allein ihr Anblick ihm schon Übelkeit. Über griechische Frauen hatte sie einiges erfahren, aber was wusste sie schon über griechische Männer? Vermutlich war für sie ein Mädchen, dem so etwas passierte wie ihr, verachtenswert, und Lazar sah die ganze Schuld nur bei ihr.
Zutiefst verletzt, zog sie sich in ihr Zimmer zurück. Dort warf sie sich aufs Bett und brach in Tränen aus. Wie hatte sie ihm nur etwas anvertrauen können, worüber sie nicht einmal mit ihrer Familie gesprochen hatte? Sie bereute es zutiefst. Ein Gutes hatte die Sache jedoch: Ganz sicher erwartete Lazar jetzt nicht mehr von ihr, dass sie heute Abend zu ihm ins Zimmer kam. Wahrscheinlich würde er sie hinauswerfen, wenn sie auch nur den Versuch wagte. Aber spätestens morgen früh musste sie mit ihm über Kit reden. Morgen war Samstag, der letzte Tag seines Ultimatums.
Irgendwann legte sie sich ins Bett, doch einschlafen konnte sie lange nicht. Als sie um Mitternacht das Licht anknipste und einen Blick auf die Uhr warf, wunderte sie sich, dass Lazar offenbar noch nicht zurück war. So lange konnte er doch nicht im Krankenhaus bei seinem Onkel sein. Ob er sich mit einer Frau getroffen hatte? Einer erfahrenen, kultivierten Frau mit einem makellosen Ruf?
Der Gedanke machte sie ganz krank. Clare löschte das Licht und drehte sich zur Seite. Wenige Minuten später hörte sie das Geräusch eines sich nähernden Autos und hob den Kopf. Lazar kam also nach Hause. Sie legte sich wieder zurück und war kurz darauf fest eingeschlafen.
Tief in der Nacht wachte sie auf. Sie tastete nach dem Wecker und sah an den Leuchtziffern, dass es zehn Minuten nach drei Uhr war. Sie mochte die Dunkelheit nicht und wünschte, es wäre schon Morgen. Mach die Augen zu und schlaf weiter, befahl sie sich. Wenn du das nächste Mal aufwachst, ist es draußen hell.
Seufzend schloss sie die Augen. Sie dachte an ihre Eltern und an Bruce, an Lazar, der im angrenzenden Zimmer schlief, und an Kit. Sie würden ihn zusammenschlagen, wenn sie nichts unternahm. Das durfte sie nicht zulassen. Sie wusste, wie es war, geschlagen zu werden. Aber daran wollte sie jetzt nicht denken. Lieber an ihre Familie … an Kit …
Clare fiel in einen unruhigen Schlaf. Nein, sie durften Kit nicht schlagen! Nicht ihn, und auch nicht sie. Es war so dunkel in dieser Gasse. Wem gehörten die Schritte? Sie hatte solche Angst. Nein! Aufhören, aufhören! Jemand schrie um Hilfe. Es waren grauenvolle Schreie. Warum hörten sie nicht auf? Jemand wurde gefoltert. Bitte aufhören, aufhören! Sie konnte es nicht mehr ertragen … Was passierte mit ihr? Warum konnte sie nicht schreien? Sie versuchte es mit der letzten Anstrengung, doch kein Laut kam aus ihrer Kehle … Oh nein, gleich würde er sie wieder schlagen!
7. KAPITEL
„Clare! Clare, wach auf!“
Jemand rief ihren Namen und schüttelte sie. Allmählich wich der Albtraum. Schweißgebadet fuhr Clare hoch und blickte in Lampenlicht.
„Du bist in Sicherheit, agapémene “, sagte Lazar beruhigend. „Niemand wird dir etwas antun.“
Aus
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