Die Rache des stolzen Griechen
seinen Armen.
„Hérete, karthia mou“, stieß er mit einer Stimme aus, die so dunkel vor Emotionen war, so voller Qualen, dass Clare unwillkürlich vor ihm zurückwich. Sie hatte keine Ahnung, was seine Worte bedeuteten. Verstört schaute sie ihn an. Hatte sie sich abermals etwas eingebildet? Es musste wohl so sein, denn sein Blick spiegelte nichts von den Gefühlen wider, die sie aus seiner Stimme herauszuhören geglaubt hatte. Bevor sie sich wieder fassen konnte, war er schon zurückgetreten und ging davon.
Erst als sie schon eine Weile in der Luft waren, wurde Clare sich bewusst, wie dumm sie sich verhalten hatte. Warum hatte sie Lazars Umarmung nicht einfach akzeptieren können und darin die eines guten Freundes sehen können, der auch sie nicht ohne Abschied gehen lassen wollte? Stattdessen hatte sie sich von ihm frei gemacht, als hätte sie immer noch Angst vor Männern.
Im Flugzeug wollte Kit wissen, wie in aller Welt sie es geschafft habe, Bruce zu diesem Trip mit seinem Freund zu überreden, und warum sie das getan habe. Froh über die Ablenkung, erzählte sie ihm die ganze Geschichte.
Gut, dass Kit bei ihr war und es so viel zu reden gab. So musste sie nicht ständig daran denken, wie die Entfernung zwischen ihr und Lazar immer größer wurde.
Clare fand es besser, wenn sie den Eltern nichts von alledem erzählten. Kit hatte jedoch seine Zweifel.
„Sie wären nur schrecklich besorgt und würden befürchten, dieses Erlebnis hätte mich noch scheuer und verschlossener gemacht“, hielt Clare ihm entgegen. „Aber so ist es nicht, bestimmt nicht. Warum sagen wir ihnen nicht einfach, wir seien gemeinsam nach Athen geflogen und hätten in Peter Nolans Apartment gewohnt?“
Kit überlegte kurz, dann war er überredet. „Wahrscheinlich hast du recht, Clare. Mum und Dad wären nicht nur besorgt, sondern schlichtweg entsetzt. Was wäre das für ein Wiedersehen?“
Obwohl es bereits Oktober war und ihr Aufenthalt in Griechenland mehrere Monate zurücklag, verging kein Tag, an dem Clare nicht an Lazar dachte. Sie hatte nichts mehr von ihm gehört, aber das hatte sie auch nicht ernstlich erwartet.
Die Familie war wieder vereint, der Urlaub nur noch Erinnerung. In den Wochen und Monaten nach ihrer Rückkehr begannen die Eltern und Brüder kleine Veränderungen an Clare zu bemerken. Erst reagierten sie mit Besorgnis, wenn sie stundenlang dasaß und schweigend in unbekannte Fernen blickte. Umso erleichterter waren sie, als sie mit dem Mini in die Stadt fuhr und mit einem ganzen Sortiment an Kosmetika zurückkehrte. Oder wenn sie neue Frisuren ausprobierte, um dann festzustellen, dass ihr die alte am besten gefiel. Es waren nur Kleinigkeiten, doch verglichen mit den Zeiten, in denen Clare sich vor ihrem eigenen Schatten fürchtete, war es ein großer Fortschritt.
Ein noch größerer Fortschritt war es, als Clare eines Abends zu Bett ging und zum ersten Mal ihre Tür nicht offen ließ. Erst war man skeptisch, doch als sie auch in den folgenden Nächten ihre Tür zumachte, freuten ihre Eltern und ihre Brüder sich von ganzem Herzen darüber, dass sie ihre Angst vor der Dunkelheit offenbar überwunden hatte.
Eines Tages überraschte Clare ihre Familie mit der Neuigkeit, dass sie eine Einladung ins Kino von Bruce’ Freund Rob Edmonds angenommen habe. Die Reaktionen waren gemischt. Einerseits freute man sich darüber, andererseits machte man sich auch ein wenig Sorgen. Clare hatte selbst Bedenken. Sie empfand nichts Besonderes für Rob, denn ihr Herz gehörte Lazar. Doch durch ihn war sie zur Frau erwacht, und nun war sie neugierig darauf, wie die Dinge zwischen jungen Leuten so liefen.
Als Rob sie am Abend abholte, ließ Bruce ihn herein. Es dauerte eine Weile, bis beide ins Wohnzimmer kamen, und Clare nahm an, dass Bruce seinen Freund ins Gebet genommen und ihm ans Herz gelegt hatte, keine Annäherungsversuche bei ihr zu unternehmen.
Schüchtern saß sie dann neben Rob im Auto, und ebenso schüchtern saß sie neben ihm im Kino. Rob benahm sich vorbildlich. Nach dem Kinobesuch brachte er sie sofort nach Hause, ohne unterwegs anzuhalten oder den Versuch zu machen, sie zu küssen. Sie hätte es auch auf keinen Fall gewollt. Ihr Vertrauen zu ihm wuchs, und sie ging noch ein paar Mal mit ihm aus. Als er sie dann bei ihrer letzten Verabredung küssen wollte, wehrte sie ihn heftig ab. Erst wollte er sich nicht zurückstoßen lassen, doch dann ließ er von ihr ab und entschuldigte sich damit, dass sie so bezaubernd
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