Die Rache ist Dein
verlieren.
»Alles in Ordnung, Decker?« fragte Hayley. »Setz dich, Mädchen. Du siehst blaß aus.«
»Nein, mir geht's gut.« Ein angestrengtes Lächeln. »Bin nur müde.«
»Komm, ich fahr dich nach Hause«, sagte Andy.
Sie wußte, daß er das aufrichtig meinte. Und es war sinnvoll, weil sie benebelt war. Aber der Gedanke, mit ihm im Auto zu sitzen, gefiel ihr nicht. »Danke, Andy.« Wieder ein Lächeln. »Mir geht's wirklich gut.«
»Ich fahr dich«, bot Rhonda an. »Hayley kann mich nachher abholen ... «
»Das ist nicht nötig!«
Sie klang barscher als gewollt. »Wirklich, Rhonda. Danke, aber ich schaff das schon. Bis später.« Sie warf sich die Tasche über die Schulter. Da sie wußte, daß die anderen sie beobachtete, bemühte sie sich, sehr gerade zu gehen. Aber sobald sie draußen war, brach ihr der Schweiß aus. Ihr Herz klopfte wie wild, ihre Hände zitterten, und alles verschwamm ihr vor den Augen. Schwankend stand sie auf dem Parkplatz, starrte auf das Meer von Autos. Wo, zum Teufel, war ihres? »Bitte, lieber Gott«, betete sie. »Mach, daß ich heil nach Hause finde, und ich werd's nie wieder tun.«
Sie suchte erst die eine Reihe ab, dann die nächste. Die dunstige Nachtluft trug wenig zu ihrer Wiederbelebung bei, kräuselte aber ihr Haar.
Endlich entdeckte sie ihn — ihren Saturn. Sie hätte ihn nie bemerkt, wenn er nicht unter einer Laterne gestanden hätte. Ihr Wagen war in dem glitzernden Neongrün lackiert, daß vor ein paar Jahren so modern war. Jetzt war der Farbton passe, und das Coupe sah aus wie ein alte, angemalte Hure.
Sie schwankte zu ihrem Auto, fummelte mit den Schlüssel herum. Schweiß lief ihr von der Stirn. Mühsam gelang es ihr, die Tür aufzuschließen, aber dann begann sich die Welt zu drehen. Cindy schloß die Augen, doch das Drehen wollte nicht aufhören. Sie lehn-re sich gegen das Metall, drückte den Kopf gegen das dicke, kühle Glas, betete, daß sie nicht kotzen mußte. »Gib mir ...«
Cindy schreckte zusammen, machte einen Satz zurück, stieß beinahe gegen seine Brust. Sie drehte sich um, funkelte ihn an, vergaß ihr verschwitztes Gesicht. »Schleichst du dich immer so an?«
»Nur an Verbrecher«, antwortete Oliver. »Was du auch sein wirst, wenn du in dieser Verfassung fährst. Gib mir die Schlüssel.«
Ihr war zu schlecht zum Streiten. Sie reichte ihm den Schlüsselring.
»Schaffst du es auf die andere Seite?«
»Wenn ich langsam genug gehe.« Oliver öffnete die Fahrertür. »Rutsch rein.«
»Danke.«
Unbeholfen hievte sie sich auf den Beifahrersitz, legte den Kopf zurück, schloß die Augen. Immer noch drehte sich alles. Sie umklammerte ihre Beine, hoffte, dadurch ihren Magen zur Ruhe zu bringen.
Oliver griff über sie hinweg und schnallte sie an. »Hier. Kau das.« Cindy öffnete die Augen, sah auf die ihr hingehaltene Tasse. »Was ist das?«
»Eiswürfel. Das hilft gegen Übelkeit. Als du gegangen bist, sahst du ein bißchen wackelig aus ... ein bißchen grün um die Nase.«
Sie nahm die Tasse, biß sich auf die Lippen, kämpfte gegen die Übelkeit an. »Hast du mir nachspioniert?« Er ignorierte sie. »Wohin soll ich?«
»Philosophisch gesehen?«
»Cindy!«
»Bieg an der ersten Ampel links ab.«
»Gib mir die Adresse.«
»Von meiner Wohnung?«
»Ja, Cindy, von deiner Wohnung.«
»Die Straße geht von der Bagley ab. Drei Blocks nördlich vom Venice Boulevard. Kennst du dich in der Gegend aus?«
»Das ist in der Nähe von Culver City, oder?«
»Ja. Genau.« Cindy zerkaute einen Eiswürfel und nannte ihm die Hausnummer. »Tut mir leid.«
»Ist schon gut.«
Sie stieß einen tiefen, nach Bier riechenden Seufzer aus. Eigentlich wollte sie noch was sagen, wollte erklären, aber sie bekam die Worte nicht raus.
Die Fahrt verlief schweigend, lange fünfundzwanzig Minuten, die ihr wie Stunden vorkamen. Bei jeder Kurve, jedem Spurwechsel schwappte Magensäure in ihre Speiseröhre hoch. Sie lutschte Eiswürfel und schluckte oft. Mit Papiertüchern wischte sie sich den Schweiß ab, rümpfte die Nase, weil die Tücher nach Bier stanken.
Fünf Halbe, und sie stank. Verstohlen sah sie zu ihrem Fahrer. Falls ihn der Gestank störte, ließ er sich nichts anmerken.
Endlich, endlich parkte er ihr Auto auf vertrautem Gelände. Irgendwie gelang es ihr, ohne Hilfe auszusteigen und die Tasche mit über den Boden schleifenden Schulterriemen hinter sich herzuzerren. Oliver kam auf sie zu, und sie streckte die Hand nach den Schlüsseln aus. »Ich glaube, ab
Weitere Kostenlose Bücher