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Die Rache. Thriller.

Die Rache. Thriller.

Titel: Die Rache. Thriller. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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gewehrt? Sie hatte zusehen müssen, wie der Krebs ihrer Mutter innerhalb von kürzester Zeit alle Kraft raubte. Sie erschien klein und bemitleidenswert. Olivia dachte mit Abscheu an diese Zeit. Noch immer haßte sie die Niederlage, die Unfähigkeit der Ärzte und ihre diversen Ausreden. Und die schwächliche Schicksalsergebenheit ihres Vaters.
    Was machte er wohl gerade? Vermutlich hockte er in seiner Höhle am Washington Square, las in Gesetzbüchern und brütete über die Verteidigungsstrategie für irgendeinen hoffnungslosen Fall, der unweigerlich scheitern würde. Immer kämpft mein Vater gegen Windmühlen, dachte sie. Wenn keine zu ihm kommen, sucht er sich selbst welche.
    Sie haßte und liebte ihn in merkwürdiger Widersprüchlichkeit. Sie war sich bewußt, wieviel er ihr beigebracht hatte und wie sehr ihr die Art imponiert hatte, mit der er an seine Rechtsfälle heranging. Er hatte ihr beigebracht, daß ein Leben ohne Leidenschaft und Glauben kalt und leer ist. Er hatte ihr gezeigt, daß aktives Handeln, soziale Verantwortung und Protest die Grundlagen eines gerechten Sozialwesens waren. Wie oft war sie mitten in der Nacht in den Armen ihres Vaters aufgewacht, der sie aus ihrem Zimmer ins Elternschlafzimmer trug, weil irgendein wichtiger Besuch, meistens mit Bart und Gitarre, ihr Bett für die Nacht brauchte. Das waren meine ersten Opfer für den großen Kampf, dachte sie.
    Im dritten College-Jahr, als die anderen Interpretationen über Jane Austens ›Stolz und Vorurteil‹ oder Thackerays ›Barry Lyndon‹ schrieben, arbeitete sie über Joe Hill und die Internationale Arbeiterbewegung. Sie dachte an all die Demonstrationen, zu denen sie mit ihrem Vater gegangen war. Mit sieben oder acht, sie wußte es nicht mehr genau, hatte er sie in einen riesigen Saal in Greenwich Village mitgenommen. Dort hatten Hunderte von Menschen wie mit einer Stimme »Freiheit! Freiheit! Freiheit!« gerufen.
    Es war eine Solidaritätskundgebung für Julius und Ethel Rosenberg gewesen. Sie erinnerte sich daran, wie beeindruckt sie von dieser Solidarität der Menschen in der heißen, überfüllten Halle gewesen war.
    Die Begeisterung der Menschen war ungeheuer groß, und Olivia war überzeugt, den Angeklagten würde geholfen. Auch deshalb, weil ihr Vater an dem Prozeß beteiligt war. Als sie dann ein paar Monate später die Schlagzeilen von der Hinrichtung der Rosenbergs in der Zeitung las, weinte sie vor Zorn und Enttäuschung.
    Typisch Vater, dachte sie jetzt. Er steckte seine ganze Kraft und sein Geld in solche Sachen, immer war er voller Mitgefühl, aber geführt hat es zu nichts. Der Staat hat die Rosenbergs umgebracht, er hat über Idealisten wie Vater doch nur gelacht. Aber über mich, das schwöre ich, werden sie nicht lachen!
    Sie sah ihren Vater vor sich. Immer trug er blaue, graue oder braune Nadelstreifenanzüge. Kollektive Tarnung nannte er das. Sieh aus wie dein Feind! pflegte er lächelnd zu sagen.
    Er verlor zwar die meisten Prozesse, nie jedoch seinen Humor. Diesen Humor hatte Olivia geliebt, nicht aber seine ständigen Niederlagen. Seine Grundsätze waren stets untadelig, seine Einstellung war immer gerecht. Seine Fälle waren meistens brisant, seine Beweise messerscharf, seine Prozeßführung war klug, sein Vortrag eindrucksvoll, aber er verlor immer.
    Olivia sah wieder in den Spiegel und versuchte, die Gedanken an ihren Vater beiseite zu schieben.
    Heute zeige ich denen, daß Handeln Stärke ist. Sie sah einen Moment lang die Schlagzeilen vor sich. Die Vorfreude auf ihre Aktion erregte sie. Prüfend sah sie in ihre graublauen Augen und lächelte zufrieden.
    Kein Makel. Der Plan war perfekt. Lange genug hatte sie gewartet und die Szene beobachtet. Sie kannte die Route des gepanzerten Fahrzeugs, sie wußte, wie die Geldübergabe vonstatten ging. Es geschah immer am Ende der Geschäftszeit an jedem zweiten Mittwoch. Eine ruhige Stunde in der Bank. Sie dachte an die beiden Wachbeam-ten. Diese machten sich nicht einmal die Mühe, ihre Revolverriemen zu lösen. In der letzten Woche hatte einer der beiden seine Waffen am Boden abgelegt, als ein Geldsack vom Wagen fiel. Der Mann hatte gestöhnt, als er sich bückte, so beleibt und träge war er. Beide Männer machten einen gelangweilten, sorglosen Eindruck. Sie waren gänzlich unvorbereitet auf das, was sie mit ihnen veranstalten würde.
    Das war im Grunde nicht verwunderlich. Lodi lag in einer Weinbaugegend. Hier war nichts zu spüren von der Hitze wie in San

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