Die Rache trägt Prada. Der Teufel kehrt zurück
Freundin ins Schlafzimmer gebraust, eine aparte Erscheinung in ihrem rückenfreien Kleid aus derselben pflaumenblauen Seide, die auch die übrigen Brautjungfern trugen. Das Kleid von Max’ jüngerer Schwester Elizabeth, die zusammen mit ihr hereinkam, hatte dieselbe Farbe, aber einen völlig anderen Schnitt. Eliza war Ende zwanzig und hatte die gleiche athletische Figur wie ihr Bruder, kräftige Beine und breite Schultern – für eine junge Frau vielleicht eine Spur zu breit. Doch die Lachfältchen um ihre Augen und die bezaubernden Sommersprossen ließen sie weicher, weiblicher erscheinen, genau wie die naturblonde Mähne, die sich in üppigen Wellen über ihren Rücken ergoss. Andy schoss ein unschöner Gedanke durch den Kopf: ob Elizabeth wohl auch fand, dass Max etwas Besseres verdient hatte als sie? Ob sie und ihre Mutter, wenn sie zusammensaßen, wohl Katherine nachtrauerten, der fantastischen Golfspielerin mit dem affektierten Akzent?
Mit einem Ruck kam sie wieder zu sich. Nina stand in der Tür. Allmählich sah man ihr die Nervosität an.
»Meine Damen? Dürfte ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten? Es wird langsam Zeit, dass wir uns vor dem Saal sammeln. Die Trauung beginnt in etwa zehn Minuten. Ihre Sträuße bekommen Sie von meinen Mitarbeiterinnen, die Ihnen unten auch Ihre Plätze anweisen werden. Jill, Ihre Söhne wissen, was sie zu tun haben?«
Andy quälte sich ein Lächeln ab. Mutter, Großmutter, Schwestern und Freundinnen verabschiedeten sich, wünschten ihr alles Gute, drückten ihr aufmunternd die Hand. Und schon war es zu spät, sich Jill oder Lily anzuvertrauen und sich wegen ihrer Überreaktion von ihnen den Kopf zurechtrücken zu lassen.
Die Oktobersonne war fast untergegangen. Hohe silberne Kandelaber verliehen der Atmosphäre genau den dramatischen Touch, der Nina vorgeschwebt hatte. Inzwischen waren die Sitzreihen gewiss gut gefüllt, und die Gäste stimmten sich mit Champagner und sanfter Cembalomusik auf die Feier ein.
»Andy, Kindchen? Ich habe da noch etwas für Sie«, sagte Nina und hielt ihr ein Blatt Papier hin.
Andy warf ihr einen fragenden Blick zu.
»Von vorhin. Bevor Ihnen schlecht geworden ist. Ich muss es wohl eingesteckt haben.«
Anscheinend war Andys Entsetzen nicht zu übersehen, denn Nina setzte eilig hinzu: »Keine Bange, ich hab’s nicht gelesen.«
Andy wurde es erneut schwummerig. »Könnte ich einen Augenblick allein sein?«
»Selbstverständlich, mein Kind. Aber wirklich nur einen Augenblick! Ich bin sofort wieder zurück und begleite Sie dann nach unten.«
Nachdem Andy die Tür hinter ihr zugemacht hatte, faltete sie den Brief auseinander und ließ den Blick noch einmal darüberwandern, auch wenn sich ihr die Zeilen längst unauslöschlich ins Gedächtnis gebrannt hatten. Ohne lange zu überlegen, huschte sie so schnell, wie es ihr in dem Brautkleid möglich war, ins Bad, zerriss das Blatt in tausend Schnipsel und spülte sie durch die Toilette.
»Andy, Kindchen? Sind Sie da drin? Brauchen Sie Hilfe? Bitte gehen Sie nicht allein aufs Klo. Sonst ruinieren Sie noch alles«, rief Nina von draußen.
Andy kam aus dem Badezimmer. »Nina, ich …«
»Tut mir leid, Kindchen, aber es ist so weit. Alles, was wir in den letzten zehn Monaten geplant haben, wird wahr. Jetzt ist er da, der große Augenblick. Hab ich Ihnen schon gesagt, dass ich bereits einen Blick auf Ihren Bräutigam geworfen habe? Er sieht zum Anbeißen aus in seinem Smoking. Er wartet schon am Traualtar! Er wartet auf Sie.«
Am Traualtar …
Andy konnte sich kaum auf den Beinen halten, als Nina sie vorsichtig um die letzte Ecke schob. Neben der Flügeltür zum Saal stand strahlend ihr Vater.
Er kam auf sie zu, nahm ihre Hand, gab ihr einen Kuss und sagte ihr, wie wunderschön sie aussehe. »Max ist ein Glückspilz.« Er hielt ihr den linken Arm hin, damit sie sich unterhaken konnte.
Mit seinen vier kleinen Wörtern hätte er beinahe eine Tränenflut ausgelöst. War Max wirklich ein Glückspilz? Oder machte er, wie seine Mutter meinte, einen kolossalen Fehler? Nur ein Wort zu ihrem Vater, und ihre Qual hätte ein Ende. Wie verzweifelt gern hätte sie ihm zugeraunt: »Daddy, ich kann das nicht«, so wie damals als Fünfjährige auf dem Sprungbrett im Schwimmbad. Aber da schwoll auch schon die Musik an, und die Flügeltür ging auf. Andy war, als stünde sie neben sich. Ihr zu Ehren hatte sich der ganze Saal von den Sitzen erhoben. Dreihundert Menschen, die ihr aufmunternd zulächelten.
»Können
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