Die Rache trägt Prada. Der Teufel kehrt zurück
Weißt du nicht mehr?«
Andy hielt sich den Kopf. »Lass es gut sein.«
»Der dir die Karte geschickt hat? Vorne drauf ›Gestern Nacht‹ und innen drin ›hast du mich total glücklich gemacht‹? Du konntest dich gar nicht wieder einkriegen, so lieb und romantisch fandest du das.«
»Gnade, bitte. Gnade.«
»Du warst vier Monate mit ihm zusammen! Du hast über seine ausgelatschten Turnschuhe hinwegsehen und dich nicht daran gestört, dass er seine Wäsche nicht selber gewaschen hat. Noch nicht mal die ständigen ›Liebe-ist‹-Karten konnten dich schrecken. Du hast also bewiesen, dass du, was Männer angeht, sehr gut mit Scheuklappen durchs Leben traben kannst. Ich meine ja bloß: Setz sie dir noch einmal auf!«
»Lily …«
»Oder auch nicht. Du kannst natürlich genauso gut nach Höherem streben. Ich sage nur zwei kleine Wörtchen: Christian Collinsworth. Baggert er nicht immer noch ab und zu an dir rum?«
»Doch, aber bloß, weil ich vergeben bin. Vergeben war . Sobald er merkt, dass ich wieder solo bin, macht er die Biege.«
»Wenn du mit ›solo‹ meinst, dass du wieder auf eine feste Beziehung aus bist, hast du vermutlich recht. Aber wenn es ›Sex only‹ heißen soll, wäre er bestimmt nicht abgeneigt.«
»Los, komm, lass uns einfach verreisen.« Andy wollte möglichst rasch das Thema wechseln. Sie scrollte durch die E-Mails auf ihrem Blackberry. »Bei Travelzoo gibt es vier Tage und drei Nächte Jamaika, Flug, Hotel, Vollpension, für dreihundertneunundneunzig. Ganz schön günstig.«
Lily schwieg.
»Gib dir ’nen Ruck. Glaub mir, das wird klasse. Wir legen uns in die Sonne und tanken Margaritas – okay, du nicht, aber ich. Vielleicht reißen wir sogar ein paar Typen auf. Es war für uns beide ein harter Winter. Wir haben uns eine Abwechslung verdient.«
Als Lily immer noch nicht antwortete und nur stumm auf den Teppich starrte, ahnte Andy, dass etwas nicht stimmte.
»Warum denn nicht? Du kannst doch deine Bücher mitnehmen und am Strand lesen. Was meinst du, wie gut uns das tut?«
»Ich ziehe um«, sagte Lily leise. Ihre Stimme war nicht viel mehr als ein Flüstern.
»Du ziehst um?«
»Ja.«
»Du hast eine neue Wohnung gefunden? Ich dachte, du wolltest noch bis zum Ende des Sommersemesters bleiben und dir erst dann was anderes suchen.«
»Ich ziehe nach Colorado.«
Andy starrte sie sprachlos an. Lily brach eine winzig kleine Ecke von ihrem Zimthörnchen ab, ließ sie aber auf dem Teller liegen. Sie schwiegen. Andy kam es wie die längste Minute ihres Lebens vor.
Endlich holte Lily tief Luft. »Ich glaube, ich brauche frischen Wind in den Segeln. Die Trinkerei, der Unfall, die Monate in der Entzugsklinik … so viele negative Erinnerungen. Ich habe es noch nicht mal meiner Großmutter erzählt.«
»Colorado?« Mehr brachte Andy nicht hervor, obwohl ihr so viele Fragen auf der Zunge brannten. Sie stand unter Schock.
»Die Uni in Boulder erkennt meine gesamten Studienleistungen an. Ich bekomme ein volles Doktorandenstipendium und muss dafür pro Semester nur ein Proseminar halten. Frische Bergluft, ein erstklassiges Kursangebot und neue Leute, die meine Lebensgeschichte noch nicht in- und auswendig kennen.« Lily hob den Kopf, sie hatte Tränen in den Augen. »Nur du bist nicht da, und das ist das Einzige, was mich traurig macht. Was soll ich bloß ohne dich anfangen?«
Nun brachen alle Dämme: Sie klammerten sich weinend aneinander. Zu unerträglich war der Gedanke, dass bald Tausende von Meilen zwischen ihnen liegen würden. Obwohl Andy sich wirklich bemühte, Verständnis für Lilys Entscheidung aufzubringen, obwohl sie ihr unendlich viele Fragen stellte und ihr stundenlang zuhörte, konnte sie nur an eines denken: In wenigen Wochen würde sie in New York vollkommen allein sein. Kein Alex mehr. Keine Lily. Kein Leben.
Als ihre Freundin nach Colorado gezogen war, verkroch Andy sich erst einmal für ein paar Tage bei ihren Eltern in Avon. Nach drei Portionen vom mütterlichen Butter-Sahne-Kartoffelpüree, die sie mit zwei Gläsern Pinot Grigio hinuntergespült hatte, überlegte sie gerade, ob sie nicht unauffällig den obersten Hosenknopf öffnen sollte, als ihre Mutter nach ihrer Hand griff und ihr eröffnete, dass ihr Vater und sie sich scheiden lassen wollten.
»Du musst mir glauben, wenn ich dir sage, wie lieb wir Jill und dich haben. Dass wir uns trennen wollen, hat wirklich nichts mit euch zu tun«, sprudelte es aus ihrer Mutter heraus.
»Sie ist kein Kind mehr, Roberta.
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