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Die Rache

Die Rache

Titel: Die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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niemals zu bekommen war. Aber Richter Fowler war nicht ohne Einfluß, und der Gedanke, seine Tochter könnte zur Witwe werden, hatte ihm nicht gefallen. Nicht, daß es unbedingt einen Unterschied machte, ob man eine Waffe trug oder nicht. Aber er hatte Hardy zugeredet, und das war nun die erste Gelegenheit, bei der Hardy das Ding spazierentrug.
    Okay, hatte er gedacht, er würde es also legal mit sich herumschleppen, auch privat, wenn er Lust hatte.
    Er stellte den Motor ab. Langsam drehte er den Zylinder der .38er herum, um sich noch einmal zu vergewissern, daß sie geladen war, dann trat er hinaus in den wirbelnden Nebel und schlug den Kragen seiner Windjacke mit der linken Hand hoch. Die Waffe in der rechten fühlte sich an, als wäre sie fünfzig Pfund schwer.
    Er zögerte. »Albern«, sagte er laut.
    Aber er ging weiter.
    Die Allee mündete in einen Gehweg, der den China-Basin-Kanal säumte. Auf der linken Seite ragte ein gewaltiges Industriegebäude auf, das sich – aus Hardys Perspektive – über dem Kanal immer weiter nach oben zu schrauben schien, bis es schließlich im Nebel verschwand. Der Kanal schwappte unter seinen Füßen über das Pflaster, die Flut hatte ihren höchsten Pegel erreicht.
    Es gab keine sichtbare Strömung. Das Wasser war grünlich-braun, an manchen Stellen glänzte es vom Öl auf der Oberfläche wie Quecksilber.
    Hinter Hardy ächzte die Third Street Bridge unter dem fließenden Verkehr. Irgendwo vor ihm gab es noch eine Brücke. Ingraham hatte ihm erklärt, sein Kahn liege an der dritten Anlegestelle zwischen der Third Bridge und der nächsten Brücke.
    Mit eingezogenem Kopf marschierte Hardy durch den Wind. Die Waffe hielt er auf den Boden gerichtet.
    Die erste Anlegestelle – wenig mehr als ein paar Stricke um einen Pfahl am Rand des Kanals und eine Steckdose für elektrische Anschlüsse – war leer. Ein Mann und eine Frau, Chinesen, näherten sich Hand in Hand. Sie gingen schnell und nickten, als sie an Hardy vorbeikamen. Falls sie die Waffe gesehen hatten, ließen sie es sich nicht anmerken.
    An der zweiten Anlegestelle, vielleicht sechzig Meter von der ersten entfernt, lag ein Schlepper, der verlassen wirkte. Das nächste Schiff war eine Hochseejacht, eine Schönheit, zehn Meter lang, wie Hardy vermutete. Sie hieß Atlantis.
    Er war nicht sicher, ob er ein Boot nach etwas hätte benennen wollen, das im Ozean versunken war.
    Ingraham hatte sein Zuhause als ›Lastkahn‹ bezeichnet, und das war eine zutreffende Beschreibung: eine lange, flache, abgedeckte Kiste, die, ein paar Meter weiter, gegen die Reifen des Pontons gedrückt lag. Das Dach befand sich etwa in Höhe von Hardys Knien.
    Als er endlich vor dem Kahn stand und sah, daß die elektrischen Leitungen angeschlossen waren, kam ihm die ganze Sache wieder verrückt vor. Er war einfach paranoid. Er sah auf die Uhr. Zwanzig vor neun.
    Rusty müßte wach sein.
    Er beugte sich hinunter. »Rusty?«
    Irgendwo dröhnte ein Nebelhorn.
    Hardy steckte die Waffe in die Tasche und betrat das Deck des Kahns. Drei verwitterte Drehstühle waren vor dem Eingang auf gebaut. Grünpflanzen und eine volle Tomatenstaude, die abgeerntet werden mußte, fristeten ihr Leben auf dem Vorderdeck.
    Ein zwei Pfund schwerer Lachsköder war als Klopfer in der Mitte der Tür befestigt. Hardy hob ihn, ließ ihn niedersausen, und die Tür schwang auf. Drinnen gab es keine Regung, kein Geräusch außer dem Schwappen des Kanals und dem Verkehr, der durch den Nebel nicht mehr sichtbar war.
    Das Holz des Türpfostens war zersplittert.
    Hardy steckte die Hand in die Tasche, tastete nach der Waffe, nahm sie heraus. Er zog den Kopf ein, trat durch die Tür und stieg drei hölzerne Stufen hinunter ins Innere.
    Eine Reihe schmaler Fenster an den Wänden hätte vermutlich Licht hereingelassen, aber auf beiden Seiten waren Vorhänge vorgezogen worden. Es war kalt, kälter als draußen.
    Soweit man dies in dem trüben Licht erkennen konnte, das durch die offene Tür fiel, schien alles in Ordnung zu sein. Vor einer schicken, niedrigen Couch stand auf einem ebenfalls niedrigen Tisch das Telefon. Hardy nahm den Hörer ab, hörte das Freizeichen und legte wieder auf.
    Dann entdeckte er die Tischlampe, die auf der anderen Seite des Zimmers auf dem Boden lag. Er streckte sich und zog den Vorhang zurück, um ein bißchen mehr Licht hereinzulassen. Der Schirm der Lampe war in fünf oder sechs Stücke zerbrochen, die über den Boden verstreut lagen.
    Dort, wo Rück- und

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