Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rache

Die Rache

Titel: Die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
Vom Netzwerk:
Seitenwand aufeinandertrafen, führte eine Schwingtür in die Kombüse. Eine andere Tür in der Mitte der Rückwand stand angelehnt. Hardy trat sacht dagegen. Sie öffnete sich zur Hälfte, dann blockierte sie. Ein breites Rinnsal von etwas Schwarzem lief unter der Tür hindurch zur Wand.
    Hardy stieg darüber und drückte sich an der Tür vorbei. Sein Magen bäumte sich auf, als wäre er seekrank. Er lehnte sich gegen die Wand.
    Der Arm einer Frau hatte die Tür blockiert.
    Nackt und ausgestreckt lag sie da, als würde sie nach etwas greifen, als wäre sie gekrochen, vielleicht beim Versuch hinauszukommen. Etwas metallisch Glänzendes lag um ihren Hals und hielt ihren Kopf in einem unnatürlichen Winkel zurückgebogen – eine Halsstütze.
    Hardy sah sich um. Der Boden war in Blut getaucht.
    Als er das Geräusch vom Vordeck hörte, kniete er nieder, umfaßte die Pistole mit beiden Händen und zielte auf den Eingang des Vorzimmers.
    »Hier ist die Polizei«, hörte er. »Werfen Sie die Waffe weg, und kommen Sie mit gehobenen Händen raus.«

3
     
    Wie die anderen Sozialwohnungsprojekte in San Francisco war Holly Park anfangs einmal ein schöner Platz zum Leben gewesen. Die zweigeschossigen Einheiten waren leicht und luftig, Anstrich und Putz frisch gewesen. Mieter, die ihre Gärten nicht so in Ordnung hielten wie in der Nachbarschaft üblich, konnten theoretisch belangt werden, aber solche Vorfälle kamen damals kaum vor, denn die Leute waren stolz auf ihre Häuser.
    1951 waren die Siedlungen begrünt worden, um sie abwechslungsreicher und freundlicher zu gestalten – mit Eukalyptus, Zypressen, Magnolien. In dem Block um den Holly Park befanden sich drei öffentliche Gärten und ein Spielplatz mit Schaukeln, Kletterstangen und Rutschen. Vor den blankgeputzten Fenstern hatten zu jener Zeit Vorhänge gehangen. Auf den vier Rasenanlagen zwischen den Gebäuden, die jetzt ödes Niemandsland waren, das nach dem Mäher schrie und von Crack-Dealern beherrscht wurde, hatten die Leute einst Wäsche aufgehängt und Fahrräder repariert.
    Einhundertsechsundachtzig Menschen über achtzehn Jahre waren jetzt als Mieter in Holly Park eingetragen. Dazu kamen einhundertsiebzehn Kinder und Jugendliche. Alle bekannten Bewohner waren Schwarze. Einhundertneunundfünfzig der Erwachsenen hatten Vorstrafenregister, von den Jugendlichen zwischen zwölf und achtzehn hatten achtundsechzig Prozent schon einmal Kontakt mit dem Jugendrichter gehabt, meistens wegen Vandalismus, Ladendiebstahls, Drogenbesitzes, einige wegen Straßenraubs, Einbruchs und Vergewaltigung, und drei wegen Mordes.
    Es gab vier richtige Familien – also Ehemann, rechtmäßig angetraute Ehefrau und ihre Kinder – in Holly Park. Der Rest war eine wechselnde Masse von Frauen mit Kindern.
    Da Holly Park von Stadt und Verwaltungsbezirk für die Fürsorge reserviert war, lebte per definitionem jeder Einwohner von der Wohlfahrt, aber zweiundzwanzig Frauen und dreißig Männer hatten ›reguläre‹ Jobs. Das offiziell registrierte Pro-Kopf-Einkommen aller Erwachsenen in Holly Park betrug zweitausendneunhundertdreiundfünfzig Dollar und dreizehn Cent jährlich und lag damit weit unter der Armutsgrenze.
    Das Einkommen aus dem Verkauf von Kokain wurde vom Polizeipräsidium San Francisco auf einen Betrag zwischen eineinhalb und drei Millionen Dollar pro Jahr geschätzt, das bedeutete umgerechnet im Schnitt zwischen fünfzig und fünfundsiebzig Dollar pro Stunde – vierundzwanzig Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche.
    Bisher waren in diesem Jahr – es war September – sechsundneunzig Prozent der Einwohner von Holly Park, die über sieben Jahre alt waren, Opfer, Täter oder Augenzeugen eines Gewaltverbrechens geworden.
    Bis die Polizei auf einen Notruf aus Holly Park reagierte, vergingen einundzwanzig Minuten. Zum Vergleich: In dem wohlhabenden Viertel St. Francis Wood dauerte es dreieinhalb Minuten, eine Zeitspanne, über deren Länge Polizeichef Rigby sich ärgerte.
    Manche Leute waren der Meinung, eine Lösung für die Drogen- und Verbrechensprobleme in den Sozialwohnungsanlagen bestünde darin, eine Mauer darum zu bauen und die Bewohner einander abschlachten zu lassen.
    Es gibt alle möglichen Arten von Mauern.
     
    Louis Baker fror.
    Er war jetzt wach, öffnete die Augen und wußte nicht, wo er sich befand. Es war dunkel im Zimmer, aber ein schmaler Strahl grauen Lichts drang durch den Spalt, wo der Holzladen schief vor dem Fenster hing. Der Matratze, auf der er

Weitere Kostenlose Bücher