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Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)

Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)

Titel: Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tyler Hamilton
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mich dagegen ansah – das war schon ein ganz anderes Gefühl.
Wenn sie Vollblüter waren, war ich ein Arbeitspferd. Mein Hintern war dick, an
meinen Beinen traten keinerlei Venen hervor, ich hatte schmale Schultern, die
Schenkel eines Skisportlers und kräftige Arme, die in meinem Trikot steckten
wie die Wurst in die Pelle. Zudem trat ich in die Pedale wie ein
Kartoffelstampfer, und weil ich relativ klein war, tendierte ich dazu, meinen
Kopf leicht nach hinten zu neigen, um über andere Fahrer hinweg schauen zu
können, was mir offenbar einen etwas überraschten Ausdruck verlieh, so als ob
ich nicht ganz sicher wäre, wo ich mich befand. Eigentlich hatte ich kein
Recht, an der Tour DuPont teilzunehmen. Ich verfügte nicht über die Ausdauer,
die Erfahrung oder das fahrerische Können, um mich mit den Profis aus Europa zu
messen, geschweige denn sie während der zwölf Tage zu schlagen.
    Aber eine Chance hatte ich: das Prolog-Zeitfahren, bei dem jeder
Fahrer allein gegen die Uhr fährt. Es war eine kurze Etappe, nur etwa 4,8
Kilometer lang, eine hügelige Strecke mit zum Teil üblem Kopfsteinpflaster und
so engen Kurven, dass aufgestapelte Strohballen, die man normalerweise vom
Skirennen her kennt, einen Sturz abfangen sollten. Trotz seiner Kürze galt der
Prolog als wichtiger Gradmesser, da jeder Fahrer sich hier maximal verausgabte.
Am Tag vor dem Rennen fuhr ich die Strecke ein halbes Dutzend Mal. Ich testete
jede Kurve, prägte mir die Ein- und Ausfahrtswinkel ein, schloss die Augen und
stellte mir mich beim Rennen vor.
    Am Morgen des Prologs begann es zu regnen. Ich stand in der Nähe der
Startrampe und plauderte mit meinem Team-Coach, einem freundlichen
Zweiunddreißigjährigen namens Chris Carmichael. Er war ein netter Bursche, aber
eher ein Cheerleader als ein Trainer. Er wiederholte ständig bestimmte
Redewendungen, als wären es Songtexte. Vor dem Prolog brachte Chris mir ein
Ständchen seiner größten Hits: Streng dich an, bleib bei dir
selbst, vergiss nicht zu atmen. Eigentlich hörte ich ihm gar nicht zu.
Ich dachte an den Regen, der das Kopfsteinpflaster rutschig machte, und dass
die meisten meiner Konkurrenten sicher Angst hatten, hart in die Kurven zu
gehen. Ich war vielleicht ein Anfänger, aber ich hatte zwei Vorteile: Ich
wusste, wie man Skirennen fuhr, und ich hatte nichts zu verlieren.
    Ich startete von der Rampe und fuhr in vollem Tempo in die erste
Kurve; Carmichael folgte in einem Mannschaftswagen. Ich strengte mich an und
ging bis zum Limit. Ich weiß, ich bin am Limit, wenn ich Blut im Mund schmecke,
und so blieb ich immer hart an der Grenze. Dieser Moment war der Grund, weshalb
ich mich in den Radsport verliebte und ihn immer noch liebe – die seltsamen
Überraschungen, die man erleben kann, wenn man alles gibt. Man puscht sich bis
zum absoluten Limit – die Muskeln stöhnen, das Herz explodiert fast, und
man spürt, wie die Milchsäure in Gesicht und Hände schießt –, und dann gibt man
sich noch einen kleinen Stoß, und noch einen, bis es so weit ist. Manchmal
wächst man über sich hinaus; und ein andermal stößt man an seine Grenze, und es
geht nicht weiter. Aber wenn man die Grenze überschreitet, gelangt man
irgendwann an einen Punkt, wo der Schmerz so stark wird, dass man sich völlig
verliert. Ich weiß, das klingt nach Zen-Buddhismus, aber es fühlt sich wirklich
so an. Chris erklärte mir immer, ich solle bei mir selbst bleiben, aber ich
begriff nie, was er damit meinte. Für mich besteht der Sinn darin, aus sich herauszugehen, sich immer mehr anzustrengen, bis man an
einen bis dahin kaum vorstellbaren Punkt angelangt.
    In den Kurven beschleunigte ich wie ein Rennwagen, schlitterte über
das Kopfsteinpflaster, aber hielt mich irgendwie aufrecht und fern von den
Strohballen. An den Steigungen kämpfte ich verzweifelt, aber in der Ebene zog
ich das Tempo wieder an. Ich spürte, wie sich die Milchsäure aufbaute und durch
meinen Körper strömte, in meine Beine, meine Arme, meine Hände, unter die
Fingernägel – ein schöner, frischer Schmerz. Noch eine letzte 90-Grad-Kurve,
von Kopfsteinpflaster auf Asphalt. Ich schaffte es und schoss aufrecht durchs
Ziel. Als ich die Ziellinie überfuhr, warf ich einen kurzen Blick auf die Uhr: 6   :   32
Minuten.
    Dritter Platz.
    Ich blinzelte und sah noch mal hin.
    Dritter Platz.
    Nicht 103., nicht 30., sondern dritter Platz.
    Carmichael war sprachlos, ja regelrecht verstört. Er umarmte mich
und meinte: »Du bist vielleicht ein

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