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Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)

Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)

Titel: Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tyler Hamilton
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Spanier an Armstrong vorbeizog. Lance wurde
regelrecht »weggepustet«. Innerhalb von dreißig Sekunden holte Indurain seinen
Rückstand von zwanzig Radlängen auf und setzte sich so weit an die Spitze, dass
er beinahe aus dem Bild der Kamera gefahren wäre. Lance verlor an diesem Tag
mehr als sechs Minuten, ein massiver Einbruch. Ein paar Tage später gab er auf – es war das zweite Jahr in Folge, dass er das Rennen vorzeitig beendete.
    Verdammte Scheiße, dachte ich. Ich wusste,
wie stark Lance noch vor zwei Monaten gewesen war und wie gut er durchhalten
konnte. Ich hatte erlebt, welch unvorstellbare Dinge er mit einem Rad
anstellte, und dann kam Indurain und ließ Lance wie ein Arbeitspferd aussehen.
Ich hatte immer gehört, dass die Tour de France hart sei, aber erst jetzt
begriff ich, dass sie ein unvorstellbares Maß an Kraft, Zähigkeit und
Durchhaltevermögen erforderte. In dem Moment wurde mir auch bewusst, dass ich
unbedingt an der Tour teilnehmen wollte.
    Ich hatte gehofft, mein kleiner Erfolg bei der Tour DuPont
würde ein Profiteam auf mich aufmerksam machen. Anscheinend hatte ich mich
geirrt. Im Sommer 1994 fuhr ich als Amateur weiter und hörte mir Trainer
Carmichaels zunehmend nichtssagende Beifallsbekundungen an. Wenn ich keine
Radrennen fuhr, leitete ich mein Transportunternehmen, strich Häuser an und
wartete darauf, dass mein Telefon klingelte.
    Eines Nachmittags im Oktober, als ich gerade das Haus meines
Nachbarn anstrich, klingelte dann tatsächlich das Telefon. Ich rannte, über und
über mit Farbe bespritzt, ins Haus und nahm mit den Fingerspitzen den Hörer ab.
Die Stimme am anderen Ende der Leitung klang rau, Respekt einflößend und
ungeduldig – es war die Stimme Gottes, sofern Gott mit dem falschen Fuß
aufgestanden war.
    »Was soll es kosten, damit Sie in unser Team kommen?«, fragte Thomas
Weisel.
    Ich versuchte cool zu bleiben. Obwohl ich vorher noch nie mit ihm
gesprochen hatte, kannte ich, wie alle anderen, Weisels Geschichte: Er war um
die fünfzig, Harvard-Absolvent, Millionär, Investmentbanker, ehemaliger
Eisschnellläufer im Nationalteam, Meister im Radrennen und vor allem ein
Gewinner. In den nächsten zehn Jahren würde es solche Typen wie Sand am Meer
geben, sportbegeisterte Firmenbosse, die Golfclubs gegen ein Rennrad
eintauschten. Weisel aber war der Prototyp dieser Spezies. Für ihn war das
Leben ein Rennen, und das wurde von dem Zähesten und Stärksten gewonnen, von
dem Burschen, der das Zeug dazu hatte. Weisels Motto lautete: Tu es, verdammt noch mal. Ich höre heute noch diese raue
Stimme: Na los, tu es. Tu es, verdammt noch mal.
    Weisel wollte ein amerikanisches Team zusammenstellen, um die Tour
de France zu gewinnen. Allerdings waren einige der Meinung, dass sei genauso,
als würde man eine französische Baseballmannschaft aufstellen, um die
Weltmeisterschaft zu gewinnen. Außerdem konnte man nicht einfach ein Team
aufstellen und an der Tour teilnehmen – eine Mannschaft musste von den
Organisatoren eingeladen werden, und die Einladung richtete sich nach den
Resultaten bei großen europäischen Rennen. Das war gar nicht so leicht. Im
Gegenteil, es war so schwierig, dass Weisels Hauptsponsor Subaru ihn im
vergangenen Herbst im Stich gelassen hatte, und nun stand Weisel ganz allein
da. Er gegen den Rest der Welt. Mit anderen Worten, er war genau da, wo er sein
wollte.
    Ein kleiner Exkurs zu Weisel: Mit Ende vierzig beschloss er, sich
ernsthaft mit dem Radsport zu befassen. Deshalb heuerte er Eddie Borysewicz an,
den Trainer des Olympia-Radteams und Paten des amerikanischen Radsports. [1] Weisel flog zweimal die Woche von San Francisco nach San Diego, um mit Eddie B.
von zehn Uhr morgens bis fünf Uhr nachmittags zu trainieren. Weisel hatte in
seinem Kraftraum ein Foto von seinem Hauptrivalen an die Wand gepinnt, »um mich
daran zu erinnern, weshalb ich so hart trainierte«. Weisel gewann drei
Weltmeistertitel in seiner Altersgruppe und fünf nationale Titel im
Straßenrennen und Bahnradfahren.
    »War es die Mühe wert?«, wollte ein Freund hinterher wissen.
    »Ja, aber nur weil ich gewonnen habe«, erwiderte Weisel.
    Er und Lance ähnelten sich in ihrer Persönlichkeit (später bei
Postal verwechselten wir Fahrer häufig die Stimmen der beiden). Im Jahr 1990
hatte Weisel den damals erst neunzehnjährigen Lance in sein
Subaru-Montgomery-Team geholt, das aus Profis und Amateuren bestand. Die beiden
waren allerdings nicht miteinander ausgekommen; das lag vor allem

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