Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)
der ich
einmal war. Ich freue mich auf meine zweite Lebenshälfte.
Noch eine Geschichte zum Schluss. Sie passierte am Abend
vor der Ausstrahlung des Interviews in 60 Minutes im
Süden von Kalifornien. Ich hielt mich gerade auf dem Balkon des Hotelrestaurants
auf, als ein paar Gäste auf mich zukamen, um mit mir zu plaudern. Sie waren
große Radsportfans und schauten sich jedes Jahr die Tour de France an. Sie
wussten alles über meine Karriere, mein Poster hing bei ihnen an der Wand, und
sie sagten, sie würden mich unterstützen, was ich zu schätzen wusste. Natürlich
hatten sie keine Ahnung, dass ich in ein paar Stunden in der Sendung 60 Minutes der ganzen Welt die Wahrheit sagen würde. Dann
meldete sich einer der Gäste, ein fitter Typ um die vierzig namens Joe, zu
Wort.
»Könnten Sie bitte eine Minute hier stehen bleiben? Ich muss Ihnen
unbedingt jemanden vorstellen.«
Joe ging weg und kehrte kurz darauf in Begleitung eines
dunkelhaarigen Jungen in einem Pfadfinderhemd zurück, der offenbar sein Sohn
war. Der etwa zehnjährige Junge nahm eine aufrechte und stolze Haltung ein; auf
seinem Ärmel prangten Verdienstabzeichen.
»Hallo, ich bin Tyler«, sagte ich und schüttelte ihm die Hand.
»Ich heiße Lance«, erwiderte der Junge.
Ich muss einen ziemlich entgeisterten Eindruck gemacht haben, denn
Joe berührte meinen Arm und fügte wie zur Erklärung hinzu: »Er wurde 2001
geboren.«
»Oh«, sagte ich und musste bei dem Gedanken an den Namen immer noch
schlucken. Ich starrte den Jungen an, der mich ansah, als wüsste er, dass etwas
in der Luft lag. Ich hatte keine Ahnung, was ich sagen sollte, deshalb legte
ich ihm einfach die Hand auf die Schulter und lächelte ihn an. Der Junge
lächelte zurück.
Die ganze Zeit, während wir miteinander sprachen, fühlte ich mich
beschissen. Tut mir leid, Junge, dachte ich. Tut mir leid, dass ich in ein paar
Stunden dir und deiner Familie wehtun und all das Positive, das du mit deinem
Namen verbindest, zerstören werde. Tut mir leid, aber Wahrheit bleibt Wahrheit.
Ich hoffe, du kannst das verstehen.
Der kleine Lance und ich unterhielten uns über Pfadfinder,
Verdienstabzeichen, Pelikane und Astronomie. Der Junge kannte sich mit
Sternbildern aus und zeigte mir ein paar; er wusste, wie weit sie weg waren und
wie viele Jahre es dauerte, bis ihr Licht die Erde erreichte. Während wir so
redeten, fühlte ich mich durch den Jungen ermutigt. Mir gefiel seine
systematische Art zu denken und Dinge zu begreifen und die Rolle, die der Vater
als Leitfigur in seinem Leben spielte. Der Junge war stark und clever; er war
einfach okay.
Ich dachte mir, ich sollte dem kleinen Lance eine Lebensweisheit mit
auf den Weg geben für später, wenn alles herauskam, damit er es begreifen
konnte. Aber als wir uns verabschiedeten, war mein Kopf völlig leer, und ich
konnte an gar nichts denken. Erst später fiel mir ein, was ich ihm hätte sagen
wollen – dasselbe nämlich, was meine Eltern vor langer Zeit zu mir gesagt
hatten.
Die Wahrheit macht dich wirklich frei.
NACHWORT
FRANKIE ANDREU : Arbeitet als Teamleiter
des US -amerikanischen Kenda/5-Hour-Energy-Teams;
für Bicycling.com kommentiert er die Tour de France.
Er lebt mit seiner Ehefrau Betsy und ihren drei gemeinsamen Kindern in
Dearborn, Michigan.
JOHAN BRUYNEEL : Hat die Dopingvorwürfe
der USADA abgestritten und seinen Fall vor das
Schiedsgericht der USADA gebracht, wo er vermutlich
im Oktober/November 2012 [1] verhandelt wird. Bis zum Vorliegen des Urteils hat er sich auf eigenen Wunsch
von seinen Pflichten als Teamleiter von Radio-Shack Nissan Trek beurlauben
lassen.
DR. LUIGI CECCHINI : Trainiert in Lucca
weiterhin Radprofis.
DR. PEDRO CELAYA : Hat die
Dopingvorwürfe der USADA abgestritten und seinen
Fall vor das Schiedsgericht der USADA gebracht, wo
er vermutlich im Oktober/November 2012 [2] gemeinsam mit dem Bruyneels verhandelt
wird.
DR. LUIS DEL MORAL : Hat die
Dopingvorwürfe der USADA nicht bestritten und wurde
auf Lebenszeit für die Arbeit in allen Sportarten gesperrt, für die der WADA -Codex gilt.
DR. MICHELE FERRARI : Hat die
Dopingvorwürfe der USADA nicht bestritten und wurde
auf Lebenszeit für alle Sportarten gesperrt, für die der WADA -Codex
gilt (außerdem unterliegt er einer lebenslangen Sperre für die Arbeit mit
italienischen Radfahrern, verhängt 2002).
Im April 2011 berichtete die Gazzetta dello
Sport, Ermittlungsbeamte hätten ein Netz von illegalen Geldtransfers
unter Leitung Ferraris im
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