Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)
großes Rennen gewann. Diese primas waren nicht von Pappe: 50 000 Euro für einen Sieg bei
der Tour de France, 30 000, wenn ich es aufs Treppchen schaffte; 30 000 für einen
Sieg beim Giro d’Italia, 20 000 für einen Platz unter den ersten drei; und 30 000
für den Sieg bei einem Weltcuprennen.
Ufe stellte mich seinem Assistenten José Luis Merino Batres vor,
einem höflichen Gentleman um die siebzig mit schneeweißem Haar, der Chefarzt
für Hämatologie im La-Princesa-Krankenhaus in Madrid war. Nachdem ich meinen
ersten Blutbeutel abgegeben hatte, fragte mich Batres, welchen Codenamen ich
gerne hätte. Er schlug den Namen meines Hundes vor, aber das wollte ich nicht – Tugboat war in der Welt des Radsports mittlerweile schon bekannt. Deshalb wählte
ich 4142, die letzten vier Ziffern der Telefonnummer von Jeff Buell, meinem
besten Freund, mit dem ich in Marblehead aufgewachsen war. Wahrscheinlich würde
ich auch einen Codenamen für Ufe brauchen, und ich beschloss, ihn Sam zu
nennen. Batres sollte Nick heißen. Sam und Nick: meine neuen Assistenten.
Sofort wurde mit der Planung begonnen. Für den Giro d’Italia sollten
zwei Blutbeutel bereitgestellt werden, und vielleicht auch für die Tour de
France. (Da die Bezeichnung »Blutbeutel« wenig elegant klingt, werden wir sie
von jetzt an BB s nennen.)
Die BB -Logistik ist kompliziert, weil
Blutzellen etwas Lebendiges sind; außerhalb des menschlichen Körpers können sie
ungefähr achtundzwanzig Tage überleben. Meine erste Transfusion im Jahr 2000
war ganz einfach gewesen: Blutentnahme, BB für vier
Wochen in den Kühlschrank – und anschließend während eines Rennens die
Transfusion. Gleich mehrere Beutel parat zu haben, war schon wesentlich
komplizierter. Man konnte nicht vier Wochen vor dem Rennen zwei- oder dreimal
Blut entnehmen – der hohe Blutverlust hätte alle Trainingseffekte zunichte
gemacht. Daher wurde eine Methode entwickelt, die dieses Problem mittels eines
simplen Rotationsverfahrens löste: Man entnahm frisches Blut, während das
eingelagerte Blut per Transfusion wieder in den Körper gepumpt wurde. So befand
sich stets ein frischer Vorrat an BB s im
Kühlschrank, und der Körper blieb in Schuss, um weiterhin hart zu trainieren.
Wir tauschten die BB s ungefähr alle 25 Tage aus.
Wollte man zum Beispiel für die Tour de France drei BB s haben, musste man zehn Wochen vor dem Rennen mit dem
Austausch beginnen, und der Plan sah dann folgendermaßen aus:
Ufe erklärte mir, dass jede Transfusion in einer
bestimmten Reihenfolge vorgenommen werden müsse: (1) frisches Blut abnehmen; (2)
das eingelagerte Blut mittels Transfusion verabreichen. Dadurch sollte vermieden
werden, dass alte rote Blutkörperchen, die im Kühlschrank gelagert gewesen
waren, in die neuen BB s gelangten. Frische war das
A und O. Deshalb nannten wir den Vorgang auch »Auffrischung der BB s«. Ufe klärte mich außerdem über die Gefahr von
Echo-Positiven auf, das heißt, wenn man positiv getestet wird, weil das bei der
Transfusion verwendete Blut eine verbotene Substanz enthielt. Daher musste man
aufpassen, dass man nicht mehr im roten Bereich war, wenn man BB s bunkerte, weil eine Blutentnahme im Grunde ja nichts
anderes ist als das, was bei einem Drogentest geschieht. Ufe bot mir
sogenanntes polvo an – ein graues Pulver, das man
sich unter den Fingernagel strich, falls man zum Test gebeten wurde, während
man sich noch im roten Bereich befand. Man musste den Fingernagel nur in den
Urinstrahl halten, dann verlief der Test garantiert negativ. Ich nahm das
Pulver nicht, weil ich mir einredete, dass ich ohnehin nie in eine Situation
kommen würde, in der ich es bräuchte.
Ufe und ich entwickelten schnell eine gewisse Routine. Ich flog von
Barcelona nach Madrid, fuhr mit dem Taxi zu seinem Büro, ließ Blutentnahmen und
Transfusionen vornehmen und flog am selben Tag wieder zurück. Ich trug
Sonnenbrille und Baseballmütze, um nicht erkannt zu werden. Ich zahlte bar. Ufe
versorgte mich bei Bedarf mit Edgar und Testosteron-Pflastern. Die meisten
anderen Drogen, die er mir anbot (und es waren eine Menge), lehnte ich ab,
akzeptierte aber ein Nasenspray namens Minirin, das normalerweise Kindern als
Mittel gegen Bettnässen verabreicht wird (das Wasser wird im Körper
gespeichert, dadurch sinkt der Hämatokritwert). Einmal versuchte ich es mit
Insulin, das zur Muskelregeneration beitragen sollte, setzte es aber schnell
wieder ab, weil ich mich danach fiebrig
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