Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)
Methoden;
sie würden nur EPO , Testosteron, Kortison und
Actovegin verwenden. Manche stünden auf HGH (menschliches Wachstumshormon), aber ansonsten sei da nichts Spezielles.
Bjarne lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und nahm einen Schluck
Wein.
»Hast du es mal mit einer Transfusion versucht, Tyler?«
Ich schüttelte den Kopf, und Bjarnes blaue Augen leuchteten auf.
»Oh, das musst du mal probieren. Du wirst es mögen.«
»Okay«, sagte ich. »Hört sich interessant an.«
Ich weiß nicht genau, warum ich Bjarne anlog. Vielleicht, weil wir
uns gerade erst kennengelernt hatten. Obwohl ich Postal nicht unbedingt im
Guten verlassen hatte, wollte ich niemanden verraten. Wenn ich heute darüber
nachdenke, dass ich damals irgendwie moralische Bedenken hatte, muss ich
lachen. Ehre unter Dieben, vermutlich.
Paradoxerweise war es ein Glück, dass ich nicht die Wahrheit gesagt
hatte, denn die Eindringlichkeit von Bjarnes Vorschlag veranlasste mich, meine
Meinung zu Transfusionen noch einmal zu überdenken. Meine bislang einzige
Erfahrung mit Transfusionen hatte ich bei der Tour 2000 gemacht, und damals war
ich nicht so gut gefahren, wie ich erwartet hatte. Nach Bjarnes Euphorie zu
urteilen, hatte ich das Beste aber wohl verpasst.
Zum Beweis erzählte mir Bjarne, dass er vor seinem
Tour-de-France-Sieg 1996 drei Transfusionen bekommen habe: eine vor Beginn der
Tour und je eine an den beiden Ruhetagen. Er nannte mir auch die Gründe,
weshalb sie so gut wirkten; im Gegensatz zum langsamen Anstieg des
Hämatokritwertes bei der Verabreichung von EPO kam
es bei Transfusionen zu einem sofortigen Anstieg um etwa drei Punkte, was einer
Leistungssteigerung von drei Prozent entsprach. Transfusionen wirkten wie ein
Jungbrunnen. Und das Beste daran war, in diesem neuen Zeitalter der EPO -Tests waren sie nicht nachweisbar, sondern
hundertprozentig sicher – wenn man es richtig machte.
Nachdem er mir all das erzählt hatte, schwieg er. Er wartete auf ein
Zeichen von mir. Ja oder nein?
Ich blickte über die Hügel der Toskana. Wieder einmal befand ich
mich an einem Wendepunkt. Dies wäre der ideale Zeitpunkt gewesen, zu sagen:
Danke, ich verzichte. Ich hätte Bjarne einen Korb geben und ihm erklären
können, dass ich kein Interesse an Transfusionen hätte. Ich hätte den Posten
als Kapitän und das Programm ablehnen und einfach weggehen können. Also, warum
tat ich es nicht?
Die Antwort ist wohl naheliegend: Ich befand mich bereits
mittendrin; ich wusste, was gespielt wurde, wie alle in meiner unmittelbaren
Umgebung. Und nach den Umständen, unter denen ich Postal verlassen hatte, hatte
ich das Gefühl, etwas beweisen zu müssen.
Deshalb sagte ich Ja.
Bjarne und ich arbeiteten umgehend meinen Renn-Terminplan aus:
Anstatt die Tour de France anzupeilen, sollte ich mich auf den Giro d’Italia,
eine dreiwöchige Rundfahrt im Mai, konzentrieren. Unsere Logik war ein Mix aus
Strategie und Zweckmäßigkeit: Trotz seines Renommees bot der Giro d’Italia ein
überschaubareres Feld als die Tour de France. Außerdem war unser Co-Sponsor
Tiscali ein italienisches Telekommunikationsunternehmen.
Dann gab Bjarne mir die Telefonnummer des Mannes, der mein Leben in
den nächsten paar Jahren bestimmen sollte: Dr. Eufemiano Fuentes. Bjarne
erklärte mir, Fuentes sei ein hoch angesehener und erfahrener spanischer Arzt,
der schon jahrelang mit Spitzenfahrern gearbeitet habe. Er habe eine etwas
gewöhnungsbedürftige Art, doch deswegen solle ich mir keine Gedanken machen.
Und, keine Sorge, Fuentes sei äußerst zuverlässig. (Wie ich später feststellte,
war das ein weiteres wiederkehrendes Muster: Immer wenn jemand betonte, wie
zuverlässig etwas sei, stellte es sich im Nachhinein oft als das Gegenteil
heraus.)
Im folgenden Frühjahr suchte ich Fuentes in seinem Büro in Madrid
auf. Er wirkte eher wie ein Schauspieler als wie ein Arzt – ein
hochgewachsener Mann von Mitte vierzig, mit dunklen Augen, nach hinten
gekämmtem Haar, Pilotenbrille, Leinenanzug und italienischen Slippern. Fuentes
redete und bewegte sich schnell. Er hatte eine warmherzige, freundliche, ja
geradezu überschwängliche Art. Er liebte es, im Mittelpunkt zu stehen, besaß
ein halbes Dutzend Handys und schien in ganz Europa Assistenten und Verbindungsleute
zu haben. Ich erfuhr, dass Fuentes manchmal gut getarnt an medizinischen
Kongressen teilnahm und sich dabei mit Arzneimittelproben eindeckte, die er
dann an Sportlern ausprobieren wollte. Laut Polizeiberichten
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