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Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)

Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)

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Autoren: Tyler Hamilton
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Tyler?«
    Die anderen Fahrer sahen zu, wie er mich nach vorn schubste.
    »Kümmere dich um die beschissenen Ausreißer!«
    Nach der Etappe forderte Johan mich auf, mich beim gesamten Team für
meine schlechte Leistung zu entschuldigen. Ich tat es.
    Ich schluckte meinen letzten Rest Stolz hinunter und sagte, es tue
mir leid, dass ich das Team enttäuscht hätte, während Lance beifällig zusah.
    In jener Nacht sagte ich Haven, dass ich meinen Vertrag mit Postal
nicht verlängern würde, egal was geschah. Und wenn sie mir zehn Millionen
Dollar boten, würde ich dankend ablehnen. Ich bat meinen Agenten, sich nach
anderen Angeboten umzusehen. Die Frage war nur: Wohin sollte ich gehen? Es gab
einige Teamchefs, die mein Potenzial als Mannschaftskapitän, vielleicht sogar
als Gewinner der Tour erkannten und Interesse zeigten.
    Doch nachdem ich eine Weile darüber nachgedacht hatte, gab es für
mich nur eine Antwort. Nur ein Mann war selbst schon an der Spitze gewesen. Nur
einer konnte ein Team aufbauen, das stärker war als Postal. Einer, der wusste,
wie er mir dabei helfen konnte, zu einem Teamleader zu werden, der es mit Lance
aufnehmen und ihn schlagen konnte. Der Adler. Der Prototyp der Muskelmänner.
    Bjarne Riis.

9
    NEUSTART
    Ich kam mir vor wie an einem Film-Set – als wäre ein
Postkartenmotiv zum Leben erwacht. Ich saß auf einem Gartenstuhl und blickte
über die hügelige Landschaft der Toskana. Olivenbäume, goldenes Sonnenlicht,
wie von Michelangelo gemalt. Es war der 31.   August 2001, ein Monat nach dem
Ende der Tour. Ein paar Meter von mir entfernt saß mein neuer Sportdirektor,
der hochgewachsene, kahlköpfige, immer noch muskulöse Bjarne Riis vom Team CSC -Tiscali. Wir hatten den letzten Tag zusammen
verbracht und uns über das Team, über meinen Renn-Terminplan für 2002, über die
Ausrüstung und über das Training unterhalten. Jetzt beugte er sich nach vorn.
    »Welche Methoden habt ihr bei Postal angewendet?«
    Die Frage kam überraschend, deshalb zögerte ich. Ich hatte zwar
erwartet, dass Bjarne irgendwann danach fragen würde, aber ich hätte ihn nicht
für derart direkt gehalten. Ich hatte angenommen, Bjarne wäre der coole,
roboterhafte Däne, der so ein Thema eher diskret behandelte. Aber nun musste
ich feststellen, dass ich mich geirrt hatte.
    Bjarnes Geheimnis war, dass hinter seiner dänischen Coolness ein
temperamentvoller kreativer italienischer Kopf steckte. Da war nicht nur die
Tatsache, dass er diese herrliche Villa bei Florenz besaß oder gerne Opern
hörte. Es ging vielmehr darum, wie Bjarne an die Aufstellung eines Siegerteams
für die Tour heranging. Er war offen für neue Ideen und wollte hören, wie ich
über Ernährung, Training, Trikots und so weiter dachte. Ich mochte ihn und
hätte sogar eine Honorarkürzung in Kauf genommen, um für ihn fahren zu dürfen,
weil Bjarne im Gegensatz zu Johan und Lance nicht so tat, als hätte er auf
alles eine Antwort. Bei Postal war ich mir vorgekommen wie beim Militär – halt den
Mund und mach deinen Job –, aber für Bjarne zu fahren war ein bisschen so wie
für Apple zu arbeiten: Think different – hier war die
eigene Meinung gefragt.
    Unser Trainingslager war ein gutes Beispiel dafür. Statt der
üblichen Routine (ab an einen warmen Ort und dann Trainingstouren jeden Tag)
präsentierte Bjarne das genaue Gegenteil. Er schickte uns in einen eisigen
schwedischen Wald, wo wir unter Führung eines Exsoldaten aus einer
Spezialeinheit ein Überlebenstraining absolvierten. Das hört sich vielleicht
kitschig an, aber diese gemeinsame Erfahrung schweißte uns als Team tatsächlich
zusammen. Wo kann man sich schon besser kennenlernen als an einem Lagerfeuer im
Schnee.
    Riis’ Renaissance-Mentalität schloss sämtliche Elemente des Rennens
ein. Nicht anders als der Rest des Pelotons war Bjarne von Lance’ und Postals
Stärke tief beeindruckt, und nun rückte er mir immer dichter auf die Pelle,
denn er war begierig auf die Details. Namen, Zahlen, Techniken – welche
Methoden wendeten sie an? In diesen Gesprächen hatte ich den Eindruck, dass
Bjarne wirklich alles wissen wollte. Er hätte sogar zugehört, wenn ich ihm
erzählt hätte, dass man bei Postal Bleichmittel mit Straußeneiern trank. Und er
hätte es in Erwägung gezogen.
    Seltsam an der Sache war, dass ich nicht die Wahrheit sagte, als
Bjarne mich nach den Methoden bei Postal fragte. Ich stellte mich dumm und
behauptete, soweit ich wüsste, hätten sie bei Postal keine speziellen

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