Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)
und
verordnete mir dann ein intensives Intervallprogramm: den Motor kurzzeitig
wieder und wieder bis in den roten Bereich hochzujagen. Unzählige Male
wiederholte ich sein sogenanntes 40/20-Programm, das heißt, 40 Sekunden Vollgas
geben und anschließend 20 Sekunden die Beine hochnehmen. Es waren vermutlich
die härtesten und produktivsten Trainingseinheiten, die ich je durchgezogen
habe. Cecco empfahl mir, einen Höhensimulator einzusetzen. Bald konnte ich die
Resultate sehen: Meine Endschnelligkeit verbesserte sich rasant.
Wir waren ein gutes Team. Ich mochte Ceccos Erfahrung, seine
Klugheit und seinen trockenen Humor. Und er schätzte meine Aufrichtigkeit und
dass ich mein Training unter allen Umständen exakt wie vorgeschrieben
absolvierte. Ich kannte andere Fahrer, die nur 90 oder 95 Prozent ihrer
Aufgaben erledigten. Ich hingegen tat immer genau das, was von mir verlangt
wurde, wenn nicht mehr. Täglich lud ich für Cecco meine Trainingsdaten
herunter, mit genauen Angaben zur Wattzahl und zur Trittfrequenz; aufgezeichnet
wurde tatsächlich jeder einzelne Tritt in die Pedale. Er las sie täglich,
wertete sie aus und legte danach das Training für den nächsten Tag fest. Wir
schickten die Daten hin und her, und ich konnte sehen, wie meine Werte stiegen.
Und immer weiter stiegen.
Als der Giro d’Italia im Mai näher rückte, begannen Bjarne
und ich den Plan zu verfeinern. Ufe und ich beschlossen, zwei BB s einzusetzen, einen davor und einen während des
Rennens. Die erste Transfusion mit Eigenblut wäre kein Problem – ich sollte sie
unbehelligt in Ufes Büro in Madrid bekommen, kurz vor dem Abflug zum Start der
ersten Etappe.
Die zweite Transfusion stellte allerdings ein Problem dar. Die
italienischen Anti-Doping-Gesetze waren streng; die Polizei hatte die
beunruhigende Angewohnheit, Hotelzimmer und Mannschaftsbusse zu durchsuchen.
Ufe stellte klar, dass er nicht das geringste Interesse daran hatte, eine Reise
nach Italien zu riskieren. Bjarne kam schließlich auf die Lösung: Die fünfte
Etappe des Rennens endete in der Stadt Limone Piemonte, nur eineinhalb
Autostunden vom kleinen unabhängigen und günstig gelegenen Zwergstaat Monaco
entfernt.
Der Plan nahm Gestalt an: Haven und ich sollten im April in Monaco
ein Apartment mieten. Mitte April, vier Wochen vor dem Start des Giro d’Italia,
wollte Ufe sich mit uns in diesem Apartment treffen, mir Blut entnehmen und es
dort im Kühlschrank einlagern. Am 17. Mai, nach der fünften Etappe des Giro
d’Italia, sollte Haven mich am Etappenziel abholen und mich nach Monaco fahren.
Ufe wollte uns dann wieder in unserem Apartment aufsuchen und die Transfusion
vornehmen. Der Plan war nicht perfekt – strategisch gesehen, wäre es besser gewesen,
die Transfusion später, in der zweiten oder dritten Woche, vorzunehmen, wenn
sie sich am stärksten auf die Leistung auswirken würde. Aber es musste auch so
funktionieren.
Während Lance in seinem Privatjet über uns hinwegdüste, fuhren
Haven, Tugboat und ich Mitte April 2002 mit unserem blauen Hyundai-Kombi von
Girona nach Monaco. Wir mieteten ein Einzimmerapartment in einem großen,
anonymen Gebäudekomplex mit blauer Markise namens La Grande Bretagne; er lag
fünf Gehminuten vom Casino Monte Carlo entfernt. Ein paar Tage später fuhr Ufe
mit der Transfusions-Ausrüstung in Spanien los. Die Blutentnahme verlief
problemlos; ich lag auf der Couch und sah zu, wie der Beutel sich füllte. Den BB verstauten wir in einer Sojamilchtüte, indem wir diese
auf der Unterseite öffneten, den Beutel hineinschoben, die Tüte wieder
zuklebten und ganz hinten im Kühlschrank platzierten. Es passte perfekt. Wenn
man die Tüte an den Seiten eindrückte, fühlte es sich so an, als wäre Milch
drin.
Für die nächsten vier Wochen richteten wir uns in dem Apartment ein.
Ich musste oft zum Training und zu Rennen, während Haven und Tugboat in Monaco
blieben. Dies zeigt hervorragend, was für ein Teamplayer Haven war, denn obwohl
wir sämtliche Vorkehrungen getroffen hatten, gab es etwas, das wir nicht unter
Kontrolle hatten: den elektrischen Strom. Wir hatten Angst vor Stromausfällen,
weil sich in diesem Fall das Blut erwärmen und verderben würde. Daher
beschlossen wir, kein Risiko einzugehen. Haven und Tugs spielten Babysitter für
unseren BB . [2]
Am Tag des Giro-Prologs war ich ungeheuer aufgeregt. Seit meiner
Collegezeit war ich zum ersten Mal unumstrittener Mannschaftskapitän. Meine
große Chance, mich zu beweisen.
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