Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring
einfangen.«
Lombardo stieß Hethor zur Seite, dass er über seinen Besen fiel, und stapfte davon.
***
Hethor stellte bald fest, dass er seiner Notlage zum Trotz die Luft liebte. Das Luftschiff hatte seit der Abfahrt aus Boston nur ruhiges Wetter erlebt und war obendrein in den Genuss leichter und günstiger Westwinde gekommen. Das Schaukeln des Rumpfes hatte sich daher auf ein Minimum beschränkt. Hethor konnte an der Reling entlang das Deck schrubben und über den Ozean hinweg auf das Land im Westen blicken, auch wenn es ziemlich bald am Horizont verschwand. Sie flogen häufig durch Wolken – weiße, geometrische Gebilde, die bis in den Himmel ragten und Hethors Vorstellung von Bergen entsprachen. Das Meer tief unter ihnen stellte ein Muster unendlichen Wandels dar: Die verschiedenen Dünungen prallten aufeinander, und die unterschiedlichen Farben der Strömungen waren zu sehen, in denen hier und da winzigen Punkte trieben: Schiffe.
Manchmal sah Hethor sogar Wale.
Er hatte sich in seinem ganzen Leben nie so viel Zauberei erhoffen können. Hinzu kam, dass hier oben die Geräusche ungewohnt und seltsam waren, denn das Rattern der Erde wurde durch das Knarzen der Seile, das Knacken der Leinenhülle des Tragkörpers und das ferne Klappern der Pumpen ersetzt. Bei Nacht fühlte Hethor sich in Meister Bodeans Haus während eines Sturms zurückversetzt, wenn die Balken quietschten und das Dach ächzte. Doch hier waren diese Geräusche ein Zeichen der Ruhe. Die Welt, in der die Bassett lebte, hoch über der Erde, roch so frisch wie am ersten Tag der Schöpfung.
Da Hethor oft an die Luftspiegelung dachte, die er und Le Roy auf einer Straße in Connecticut gesehen hatte, schaute er regelmäßig nach Süden. Er hoffte, einen Blick auf die Äquatormauer und das glänzende Messing zu erhaschen, das ihren oberen Rand einfasste. Es schien ihm die richtige Richtung zu sein, um Gabriels Aufgabe zu erfüllen, ohne dass er einen Grund dafür hätte nennen können.
Das Leben auf dem Luftschiff folgte einem klar festgelegten Rhythmus, der sich für Hethor jedoch als nicht unangenehm erwies. Die Dampfmaschine trieb sie tagsüber voran – es sei denn, der Wind war so günstig, dass die begrenzte Segelfläche der Bassett ihn ersetzen konnte. Nachts befüllten sie die Dampfkessel dann wieder, sofern die Winde nicht allzu ungünstig waren. Ein großer Teil des Schiffsrumpfs bestand aus den Öltanks für die Boiler, die hochwertiges Öl verbrannten.
Wanten und Leinen führten hinauf zum Tragkörper, um diesen herum und von dort zu den großen Steuerrädern. Das Einfalten der Räder gehörte zum täglichen Exerzieren. In Hethors Fall bedeutete es, eine Leine festzuhalten, während Leute schreiend an ihm vorbeiliefen. Von den erfahreneren Matrosen kletterten einige sogar auf den Tragkörper hinauf. Von Hethor wurde dergleichen zu seiner großen Erleichterung nicht erwartet.
Zwischen den Übungen schrubbte er das Deck und verstaute die Seile und andere Gegenstände im Kabelgatt. Selbst der Abtritt war auf seltsame Weise erfrischend, wenn kühler Wind um sein Hinterteil wehte. In seinem Leben gab es sonst nur noch drei Mahlzeiten am Tag, eine Rumration, die morgendliche Rasur – auch wenn sie bei ihm im Grunde noch nicht nötig war – und eine Hängematte zum Schlafen, die in der nächtlichen Brise hin und her schaukelte. Wenn er nachts an die Reling kroch, schimmerten am Himmel die Schienen der Erde. Sie waren nun so nah wie nie zuvor und erhoben sich am östlichen und westlichen Horizont wie glänzende Hörner.
Wäre ihm nicht die Auspeitschung versprochen gewesen – Hethor hätte beinahe glücklich sein können. Er lebte in seiner eigenen, stillen Welt, die von den anderen Matrosen ignoriert wurde, sah man von Lombardo und seinen Schikanen ab. Um die Offiziere machte Hethor einen großen Bogen. Es schien fast, als würde er allein durch die Lüfte ziehen. Dem Schlüssel der Ewigen Bedrohung war er nicht näher gekommen, aber er hatte die Grube der Kerzenmänner hinter sich gelassen und bewegte sich an der frischen Luft.
Irgendwie würde er es schaffen, sich wieder Gabriels Mission zu widmen.
Eines Nachmittags verstaute Hethor gerade einen in Messing eingefassten Flaschenzug, der vor der Einfahrt in einen Hafen verwendet wurde, um das Schiff vernünftig Flagge zeigen zu lassen. Die Mannschaften der Steuerräder hatten den Flaschenzug beim Exerzieren eingesetzt.
Hethors Uhrmacher-Herz war wenig begeistert davon, wie das Messing
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