Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring
gegen die Brust, um seiner Aussage Nachdruck zu verleihen. »Sperr die Lauscher auf, du Deckswanze. Wenn der Wind auffrischt, bindest du dich an der Sicherheitsleine fest und lässt sie nicht mehr los.«
Hethor kauerte sich in den engen Raum zwischen dem Kabelgatt und der Reling, bis ein gelangweilt wirkender Junge mit blonden Haaren und rosigem Gesicht auf ihn zukam.
»Aufstehen«, sagte das Kind, das etwa vier Jahre jünger als Hethor sein musste – höchstens zwölf oder dreizehn. Im Gegensatz zu Hethors Arbeitskleidung, die immer schmutziger wurde, trug der Neuankömmling eine gut geschnittene Uniform sowie ein Schwert in einer Goldscheide.
Hethor stand auf und hielt sich am Kabelgatt fest. Er fragte sich, was als Nächstes geschehen würde.
»Hiermit wirst du in die Dienste Ihrer Kaiserlichen Majestät aufgenommen, bereit, den Befehlen der Königin oder ihrer ernannten Offiziere zu folgen, unter Androhung von Strafe oder Tod, gemäß des Kriegsrechts und dem Willen des Kapitäns.«
»Was?«
Das Kind ohrfeigte ihn. »Sag ›ja‹, Lümmel.«
Wütend schlug Hethor zurück. »Rühr mich nicht ...«
Doch das Kind zog sein Schwert und setzte die Spitze auf Hethors Brust. »Das kostet dich zwölf Peitschenhiebe, und zwölf weitere, weil du einen Offizier angegriffen hast, Lümmel.«
»Ich ...«
»Hast du Lust auf sechsunddreißig Hiebe?« Das Kind wartete einen Augenblick und senkte dann die Klinge. »Dachte ich mir. Ich bin Seekadett Fine und der Erste Offizier für die Decksdivision. Du bist der Jüngste von den Faulpelzen hier an Deck. Das bedeutet, du wirst alles tun, was die anderen dir sagen, bis ich den Befehl widerrufe.«
»Ja, Sir.« Hethors Rücken begann zu jucken.
»Du wirst beim nächsten Strafappell ausgepeitscht«, sagte Seekadett Fine. »Ich schlage vor, dass du bis dahin versuchst, dir keinen weiteren Ärger einzuhandeln. Deine erste Aufgabe lautet, Decksbootsmann Lombardo zu finden und die Aufträge zu erledigen, die er dir erteilt.«
Decksbootsmann Lombardo entpuppte sich natürlich als Goldohrring, der Mann, der Hethor zwangsrekrutiert und sich die Zeit genommen hatte, ihn zu schikanieren.
***
Hethors Gefühl der Freiheit löste sich in Nichts auf, als er die Decks mit Schwamm und Besen schrubbte und nicht an die versprochenen Peitschenhiebe zu denken versuchte. Die Royal Navy hatte sich zu Wasser für eiserne Schiffsrümpfe und den Dampfantrieb entschieden, aber in der Luft wurde weiterhin Holz bevorzugt, denn es war relativ leicht, biegsam und ließ sich schnell und kostengünstig reparieren.
Diese Kenntnisse wurden Hethor liebevoll und mit großer Sorgfalt von Lombardo vermittelt. Es schien dem Decksbootsmann Freude zu bereiten, Hethor zu zwingen, Unmengen an belanglosem Wissen über die Bassett aufzunehmen – verbunden mit der Erwartungshaltung, dass er die Informationen auf Befehl wieder ausspucken konnte.
»Du hast Glück gehabt«, knurrte Lombardo am Morgen des dritten Tages, den Hethor an Bord verbrachte. Ungefähr fünfhundert Meter unter dem Deck brachen sich die endlosen grauen Wellen des Atlantiks in weißen Schaumkronen. »Die meisten Jungs müssen erst fünf oder zehn Jahre auf See verbringen, bevor sie in die Luft dürfen. Schuften und noch mal schuften und jede Menge Scheiße fressen. Hab noch nie ein Presskommando für ein Luftschiff erlebt.«
Hethor konnte nur noch an seinen Rücken denken, der in Vorahnung auf Seekadett Fines versprochene Peitschenhiebe beständig juckte. Der Gedanke an die Bestrafung bereitete ihm große Angst, und irgendwann hörte er Lombardo kaum noch zu.
»Was, zum Teufel, macht dich zu etwas Besonderem?«, fragte Lombardo. Er drückte sein schlecht rasiertes Gesicht nah an Hethors Ohr. »Wer zur Hölle bist du?«
»Jemand, der Boston ganz dringend verlassen musste«, sagte Hethor trotz aller Bemühungen, die Klappe zu halten und einfach nur zuzuhören. Jemand hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt, um ihn an Bord zu bringen; zumindest das war klar. Eine Kombination aus Phelps und dem geheimnisumwobenen Malgus. Die Frage war nur, ob sie das mit stillschweigender Duldung des verräterischen William of Ghent getan hatten, oder ob es gegen seine Anweisungen geschehen war.
»Das hier ist keine gemütliche Koje, hast du verstanden? Wir rackern uns ab, Junge, und wir sind auf dem Weg in Gegenden, wo die Luftschiffe der Dreckschinesen auf Ärger aus sind. Du solltest kämpfen können, Junge, oder du wirst dir ein paar ordentliche Narben
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