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Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Titel: Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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ein blutiger Schleier über seine Gedanken gelegt.
    »Das war’s, Matrose«, sagte Lombardo und zog Hethors Hände vom Pfosten. Andere banden irgendetwas daran fest. Fesseln? Wurde er jetzt eingesperrt?
    Hethor versuchte zu kämpfen und sich gegen die neuerliche Qual zu wehren, doch Lombardo packte ihn am Kopf und zischte ihm ins Ohr: »Halt still, du Schwachkopf! Sie helfen dir bloß.«
    »Und du solltest dich dringend daran festhalten«, sagte der Schotte, der das Presskommando angeführt hatte.
    Hethor öffnete blinzelnd die Augen, als ein wilder Haufen seiner Kameraden ihn hochhob und singend und schreiend mit ihm übers Deck lief.
    »Hölle und Verdammnis!«, schrie Hethor, als sie ihn über die Reling in die Bermuda-Lagune warfen, die sich seicht und berüchtigt unter dem Ankerplatz der Bassett hinzog.
    Hethors Hände streckten sich verzweifelt in die Höhe, und der Schmerz in seinen Schultern erreichte einen neuen Höhepunkt – das passende Gegenstück zur zerfleischten Haut auf seinem Rücken. Als Hethor nach oben blickte, sah er über sich eine runde Halbkugel sich aufblähender Seide, die seinen Fall zu verlangsamen schien. Ein paar überraschte Sekunden lang hing er in der Luft wie eine kleine Spinne auf ihrer Frühjahrswanderung.
    Doch ob nun Seide oder nicht, er stürzte dem Wasser entgegen und schlug klatschend auf, als hätte die Hand Gottes ihn niedergestreckt. Seine Knie wurden ihm ins Gesicht gerammt und stießen seinen Kopf nach hinten, wobei noch mehr Blut in seinen Mund gespült wurde, während das Salzwasser der Lagune seinen zerfetzten Rücken mit einer Woge neuerlicher, unvorstellbarer Schmerzen wusch.
    Er schluckte den Schrei gerade noch rechtzeitig herunter, um nicht den ganzen Ozean einzuatmen, und kämpfte gegen Seile und Seide an, um an die Oberfläche zu kommen.
    Dann fielen Matrosen aus dem Himmel und schlugen im Wasser neben ihm auf. Sie jauchzten und schrien. Starke Hände hielten Hethor über Wasser und rissen ihm das Gurtzeug herunter. Jemand drückte ihm noch unter Wasser ein ölgetränktes Tuch auf die Wunden. Menschen riefen in einem Dutzend verschiedenen Sprachen seinen Namen. Die Meute schwamm mit ihm ans Ufer, das etwa eine Viertelmeile entfernt lag, und plapperte über Rum, Prostituierte und Glücksspiel.
    Schließlich stand Hethor zitternd am Strand, halb tot von den Schmerzen und vom Sturz. Man hatte ihm ein Handtuch übergeworfen, vorher aber ein quadratisches Stück Seide auf seinen Rücken gelegt, um die Wunden zu bedecken. Die Ankermastmannschaft hatte die Matrosen mit Vorräten und Ratschlägen erwartet.
    »Neuer Kamerad«, sagte einer der Männer der Bermuda-Ankermastmannschaft zu Hethor. Er war so dunkelhäutig wie der Westinder damals in Boston. »Die meisten Bastarde müssen den Sprung nicht mit ’nem zerkratzten Rücken hinter sich bringen. Bist schon ein harter Fall, Maan.«
    »Das war keine Bestrafung?«, keuchte Hethor.
    »Nun, die Katze war’s schon.« Der Ankermastmann lächelte. »Hab deinen Rücken gesehen, bevor Shinbone die Seide draufgelegt hat. Hast die Schläge richtig ordentlich weggesteckt, was immer du auch angestellt hast. Aber der Sprung, Maan, das macht dich zu einem Luftmatrosen.«
    Die Mannschaft der Bassett nahm Hethor hoch und trug ihn zu einem wirbelnden Nebelschleier aus Rum, Hanf und einer Prostituierten. Jemand anders hatte die Frau für Hethor bezahlt; nun strich sie Salbe auf seinen Rücken und nähte die breiteren Schnittwunden. Dann benetzte die Frau sie mit Rum, der in Bermuda offensichtlich als Wasser galt.
***
    Hethor erwachte bäuchlings in einer Hängematte. Seine Zunge war dick belegt, und der Geschmack in seinem Mund war so widerwärtig wie damals, als er mit den Rübenbauern in Connecticut Maisschnaps getrunken hatte. Der Schmerz auf seinem Rücken hatte eine Art ätherisches Stadium erreicht, denn seine Haut und die Muskeln schienen sich vom Körper lösen und davonschweben zu wollen, um ihre ganz eigenen Aufgaben zu erfüllen.
    Das Schaukeln der Hängematte verriet Hethor, dass das Schiff wieder in See gestochen war. Er drehte den Kopf zur Seite und rechnete damit, den Horizont zu sehen; stattdessen erblickte er ein kleines Schreibpult, an dem ein Mann mit dem Rücken zu ihm saß und schrieb.
    »Ich ...«, krächzte Hethor.
    »Du bist also wach?«, fragte der Fremde, ohne sich umzudrehen. Er hatte die sanfte Stimme eines Mannes aus den Virginias, die weit südlich von Neuengland lagen.
    »Ja«, sagte Hethor, dem es

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