Die rätselhaften Worte
Restaurant sang ein junger Mann und spielte dazu. Das Instrument sah ich nicht, aber der Klang verbreitete eine authentische griechische Atmosphäre, und sein Spiel war besser als seine Stimme. Schließlich kam er auf den Hof heraus, machte die Runde von Tisch zu Tisch und sang für die Gäste. Manche äußerten Wünsche, vor allem nach britischen oder bestenfalls italienischen Liedern, aber er versuchte, es jedem recht zu machen. Als er an meinen Tisch kam, sprangen plötzlich die Lautsprecher an, eine Stimme verkündete: »Zeit für Sorbas!«, und zwei der Kellner fingen mit dieser grauenvollen griechischen Tanzerei an. Ich sah, wie der junge Musikant zusammenzuckte, dann fing er meinen Blick auf und grinste verlegen.
Ich erwiderte sein Lächeln, deutete auf sein Instrument und fragte ihn, wie man es nenne, denn ich wollte wissen, ob seine Sprechstimme ebenso »griechisch« klang wie seine Singstimme. Es sei eine Bouzouki, erklärte er in breitem Mid-Yorkshire-Dialekt. »Ach, dann sind Sie gar kein Grieche?« bemerkte ich mit enttäuschter Miene, um das Hochgefühl zu verbergen, das mich ergriff. Mit unbekümmertem Lachen gab er zu, er sei ein Einheimischer, aus Carker, wo er geboren und aufgewachsen sei und jetzt noch lebe. Er studiere Musik an der Universität, und wie vielen anderen sei es ihm unmöglich, sein Leben von dem Almosen zu fristen, das man heutzutage Stipendium nenne. Also bessere er es ein wenig auf, indem er die meisten Abende in der Taverna arbeite. Zwar käme er selbst nicht aus Griechenland, doch sein Instrument sei eine echte Bouzouki, die sein Großvater aus Kreta mitgebracht habe, wo er im Zweiten Weltkrieg gekämpft hatte. Ihr Spiel sei also tatsächlich ursprünglich unter echten Olivenbäumen in einer warmen, von Düften geschwängerten Nacht am Mittelmeer erklungen.
In seiner Stimme vernahm ich ein Verlangen nach jener fernen Wirklichkeit, die er schilderte, so wie ich zuvor von seinem Gesicht Abscheu vor dem Schwindel abgelesen hatte, an dem er beteiligt war. Er mochte in Yorkshire geboren und aufgewachsen sein, aber seine Seele sehnte sich nach etwas, das, wie er sich einredete, unter anderen, weniger frostigen Himmeln noch zu finden sei. Armer Junge. Er hatte den offenen, hoffnungsvollen Blick eines Menschen, der für ein Leben voller Enttäuschungen geboren ist. Ich sehnte mich danach, ihn vor dem Zerbrechen seiner Illusionen zu bewahren.
Die Musik aus den Lautsprechern wurde lauter, und die tanzenden Kellner, die eine wachsende Zahl von Gästen zum Mitmachen aufforderten, rückten näher an meinen Tisch heran. Also steckte ich ein paar Münzen in den Lederbeutel, der am Chiton des Jungen baumelte, beglich die Rechnung und ging.
Das Restaurant schloß erst nach Mitternacht, aber es machte mir nichts aus, in meinem Wagen zu sitzen und zu warten. Es bereitet Vergnügen, zu sehen und nicht gesehen zu werden, im Schatten zu bleiben und die Geschöpfe der Nacht bei ihrem Treiben zu beobachten. Ich sah mehrere Katzen, die zielstrebig in die Gasse neben der Taverne schlichen, wo deren Mülltonnen stehen. Eine Eule schwebte zwischen den Schornsteinen, still und fern wie ein Satellit. Auch glaubte ich den buschigen Schwanz eines Stadtfuchses zu erspähen, der um eine Hausecke wischte. Am meisten interessierten mich aber die Menschen, die letzten Gäste, die sicheren Schrittes oder torkelnd, auf Schusters Rappen oder motorisiert in die Nacht hinausstrebten, kleine Tupfer eines »Stimmungsbildes« – rufende Stimmen, hallende Schritte, schlagende Autotüren, brummende Motoren –, die für einen Augenblick die große Symphonie der Nacht übertönten und dann verklangen, ohne deren dunkle Musik anzutasten.
Darauf folgt eine lange Pause, nicht in der Zeit, sondern jenseits der Zeit – wie lange sie währt, weiß ich nicht, denn die Uhren zeigen jetzt ein leeres Blatt –, bis ich schließlich ein Motorrad höre, das in der Gasse auf Touren kommt. Mein Junge taucht auf, ein Musikant, der in die Musik der Nacht einstimmt. Trotz seines Schutzhelms erkenne ich ihn – und ich hätte ihn auch ohne den hinten aufgeschnallten Bouzoukikoffer erkannt.
Er bleibt stehen, um zu sehen, ob die Straße frei ist. Dann fährt er an und entfernt sich.
Ich folge ihm. Ihm auf der Spur zu bleiben, ist nicht schwer. Er hält sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung, wahrscheinlich, weil er aus Erfahrung weiß, wie gern die Polizei, vor allem zu später Stunde, junge Motorradfahrer schikaniert. Sobald
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