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Die rätselhaften Worte

Die rätselhaften Worte

Titel: Die rätselhaften Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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meine Zweifel, ob sie so systematisch vorgehen, daß sie das festmachen können, aber vielleicht erinnert sich ja jemand. Ich könnte mal mit denen reden, während du …«
    »… während ich mit diesen bescheuerten Geschichten weitermache«, unterbrach ihn Rye. »Tja, du bist der Boß.«
    »Stimmt. Eigentlich wollte ich sagen, daß du in der Zwischenzeit ein bißchen mit deinem ornithologischen Bewunderer plaudern könntest.«
    Er warf einen Blick zum Schalter, wo ein schlanker junger Mann mit einem offenen, jungenhaften Gesicht und einem gutgeschnittenen schwarzen Anzug geduldig wartete.
    Er hieß Bowler, Vorname E-Punkt. So viel wußte Rye, weil er seinen Bibliotheksausweis gezückt hatte, als er zum ersten Mal am Schalter aufgetaucht war und um Unterstützung bei der Bedienung des CD - ROM –Laufwerks an einem der Computer gebeten hatte. Rye und Dee hatten beide Dienst gehabt, aber sie hatte schon früh festgestellt, daß sie in Fragen der Informationstechnologie die ausgewiesene Expertin der Abteilung war. Nicht, daß ihr Chef von Technik nichts verstanden hätte – sie vermutete sogar, daß er wesentlich mehr Ahnung hatte als sie –, aber als sie glaubte, ihn gut genug zu kennen, um der Sache auf den Grund zu gehen, hatte er mit seinem entzückend wehmütigen Lächeln auf den Computer gedeutet und gesagt: »Das ist das Grauhörnchen.« Dann wies er auf die Bücherregale: »Und das sind die Eichhörnchen.«
    Die CD , die E. Bowler benutzen wollte, war ein ornithologisches Nachschlagewerk, und als Rye höfliches Interesse bekundete, hatte er angenommen, sie begeistere sich ebenfalls für Vogelkunde. Auch bei seinen nächsten drei oder vier Besuchen gelang es ihr nicht, ihn von dieser Überzeugung abzubringen.
    »O Gott«, stöhnte sie jetzt. »Heute erkläre ich ihm, daß mich Vögel nur interessieren, wenn sie knusprig braun und mit Orangensauce angerichtet sind.«
    »Du enttäuschst mich, Rye«, erwiderte Dee. »Ich habe mich von Anfang an gefragt, warum ein aufgeweckter junger Kerl so tut, als hätte er keinen Schimmer von Computern. Offensichtlich interessiert er sich nicht nur für Vögel, sondern auch für dich. Wenn du deine Gleichgültigkeit so brutal zum Ausdruck bringst, wie du es gerade angedeutet hast, wird er nach einem anderen gemeinsamen Thema suchen. Und ein solches könntest du jetzt zur Sprache bringen.«
    »Wie bitte?«
    »Mr. Bowler ist kein anderer als Detective Constable Bowler vom Mid-Yorkshire Criminal Investigation Department. Es lohnt sich also, diese Beziehung zu pflegen. Uns Amateurdetektiven bietet sich nicht alle Tage die Gelegenheit, einen Spitzel bei der örtlichen Kriminalpolizei unterzubringen. Ich überlasse ihn also deiner zärtlichen Fürsorge, ja?«
    Er verschwand im Büro. Schlauer alter Fuchs, dachte Rye, als sie ihm nachsah. Nun steh’ ich wieder als Klugscheißer da, und er als die Klugheit in Person.
    Als Bowler nun auf sie zutrat, betrachtete sie ihn mit neu erwachtem Interesse. Sie wußte, daß sie oft den Fehler beging, sich vorschnell ein Urteil über jemanden zu bilden, von dem sie sich dann kaum abbringen ließ. Auch jetzt ertappte sie sich dabei, daß sie ihn in erster Linie als Vogelnarr ansah, obwohl er ein Bulle war und seine Besuche in der Bibliothek möglicherweise durch reine Fleischeslust motiviert waren.
    Der Anzug und das krawattenlose Hemd ließen hoffen. Kein Armani, aber ein hinreichend gutes Imitat. Und das schüchterne, etwas hilflose Kleinjungenlächeln erschien ihrem geschulten Auge ein ganz klein wenig berechnend, was sie ebenfalls billigte. Auch wenn der Weg zu ihrem Herzen nicht über ihre Mutterinstinkte führte, war es nett, zu sehen, daß ein Mann es auf diese Tour versuchte.
    »Guten Tag«, sagte er zögernd. »Tut mir leid, wenn ich Sie störe … wenn Sie zu viel zu tun haben …«
    Es wäre unterhaltsam gewesen, sich ein Weilchen auf das Spiel einzulassen, aber selbst ohne diesen Wettbewerbs-Mist steckte sie bis über beide Ohren in Arbeit.
    »Ja«, erwiderte sie forsch, »ich bin ziemlich eingedeckt. Aber wenn Sie nur mal auf die Schnelle, Constable …«
    Das schüchterne Lächeln blieb unverändert, aber er zwinkerte zweimal, und danach war aus seinen Augen (ziemlich hübsch, taubengrau) alle Schüchternheit gewichen, und an ihre Stelle trat eindeutig so etwas wie Berechnung.
    Jetzt überlegt er, ob ich ihn gerade ermuntert habe, mir mit Cocktailbar-Anzüglichkeiten aufzuwarten, statt den netten Jungen von nebenan zu

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