Die rätselhaften Worte
feststeht, daß er den Heimweg nach Carker einschlägt, überhole ich ihn und ziehe davon.
Ich habe keinen Plan, aber an der Heiterkeit, die in mir aufsteigt, erkenne ich, daß bereits ein Plan existiert. Und als ich am Stadtrand das Schild passiere, das die Geschwindigkeitsbegrenzung aufhebt, und mich auf der alten Römerstraße wiederfinde, dieser von Buchen gesäumten Landstraße, die über sanfte Hügel fünf Meilen lang pfeilgerade Richtung Süden nach Carker führt, weiß ich, was ich zu tun habe.
Ich lasse die Lichter der Stadt hinter mir und trete aufs Gaspedal. Nach ein paar Meilen wende ich auf der leeren Straße und schalte die Scheinwerfer aus, nicht aber den Motor.
Die Dunkelheit umspült mich wie schwarzes Wasser. Sie stört mich nicht. Sie ist meine Heimat. Ich bin in meinem Element.
Jetzt sehe ich ihn. Zuerst ein Schimmer, dann ein strahlender Glanz, der auf mich zusaust. Welcher junge Mann, selbst wenn er durch schlechte Erfahrungen mit der Polizei zur Vorsicht erzogen ist, könnte der Versuchung einer solchen schnurgeraden und offenbar verkehrsfreien Strecke widerstehen?
Ha, das Brausen des Windes auf seinem Gesicht, das Vibrieren der Maschine zwischen seinen Schenkeln und an den Rändern der Wahrnehmung schemenhaft die Bäume, Zuschauern gleich, aufgereiht wie alte Götter, die dem Vorüberfahrenden applaudieren!
Ich fühle seine Freude, teile seinen Frohsinn. Ja, ich bin so erfüllt davon, daß ich beinahe meinen Einsatz verpasse.
Aber die alten Götter sprechen auch zu mir, und ohne klaren Befehl meines Verstandes tritt mein Fuß aufs Gaspedal, läßt meine Hand die Scheinwerfer grell aufleuchten.
Für den Bruchteil einer Sekunde rasen wir direkt aufeinander zu. Dann gehorchen seine Muskeln ebenso wie meine raschen Befehlen, die der Verstand nicht lenken kann, und er reißt die Maschine herum, gerät ins Schleudern, ringt um Kontrolle.
Einen Augenblick glaube ich, daß er es schafft.
Ich werde enttäuscht und bin erleichtert.
Gut, ich weiß, aber ich muß ehrlich sein. Welche Last – welch lastendes Warten – wäre von meiner Seele genommen, wenn sich doch noch herausstellen würde, daß dies nicht mein Weg ist.
Aber jetzt merkt der Junge, daß er nichts mehr tun kann. Auch jetzt noch, in diesem Augenblick höchster Gefahr, muß sein Herz jubeln, aufgeputscht vom Stachel der Erregung. Dann rutscht das Motorrad unter ihm weg, sie trennen sich, Mensch und Maschine sausen nebeneinander die Straße entlang, eng beisammen, aber nicht mehr miteinander verbunden.
Ich bleibe stehen und drehe mich um. In der Zeit dauert es vielleicht ein paar Sekunden. In meiner Nichtzeit registriere ich jede Einzelheit. Ich sehe, wie das Motorrad zuerst gegen den Baum prallt, in Flammen aufgeht, ein kleines Feuer – sein Tank muß fast leer gewesen sein –, aber doch groß genug, um seinen letzten Augenblick in fahles Licht zu tauchen.
Er prallt gegen eine breitstämmige Buche, scheint sie mit dem ganzen Körper zu umarmen, als wolle er in ihre glatte Rinde eindringen und sich mit ihren aufsteigenden Säften vereinen.
Ich stoße zurück, bis ich bei ihm bin, und steige aus. Der Aufprall hat sein Visier zerschmettert, konnte aber wunderbarerweise seinen sanften braunen Augen nichts anhaben. Gleich daneben bemerke ich den Bouzoukikoffer, der vom Soziussitz gerissen wurde. Er ist aufgesprungen, aber das Instrument scheint unbeschädigt. Ich nehme es heraus und lege es neben seine ausgestreckte Hand.
Nun ist der Musikant mit der dunklen Musik der Nacht verschmolzen, und ich werde hier nicht mehr gebraucht. Langsam fahre ich weiter, lasse ihn zurück bei den Bäumen, den Füchsen, den Eulen, die Augen weit geöffnet, und bald werden sie, wie ich hoffe, nicht die kalten Sterne unserer englischen Nacht erblicken, sondern das üppige, warme Blau eines südlichen Himmels.
Dort wäre er gern. Ich weiß es. Frag ihn. Ich weiß es.
Ich bin jetzt zu erschöpft, um weiterzusprechen.
Bis bald.
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Fünf
A m Donnerstag morgen, einen Tag vor Einsendeschluß für den Short-Story-Wettbewerb, begann Rye Pomona auf ein Leben nach dieser unsterblichen Prosa zu hoffen.
Das hielt sie allerdings nicht davon ab, weiter völlig hemmungslos Manuskripte in den Papierkorb zu schaufeln. Aber mitten am Vormittag wurde sie ganz still, seufzte verblüfft, las die Seiten, die vor ihr lagen, noch einmal und murmelte: »Verdammt.«
»Ja?« sagte Dick Dee.
»Wir haben einen Zweiten Dialog bekommen.«
»Zeig mal
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