Die rätselhaften Worte
brummte dabei: »Komm in die Gänge, Frankenstein, sonst beginne ich noch zu bedauern, daß ich dich elektrisch aufgemuntert habe.«
Unbeirrt fuhr Wield in gemessenem Tempo fort.
»Musterhäftling, Abschluß an der Fernuni, erhält maximalen Strafnachlaß, kommt raus, kriegt einen Job als Krankenhauspförtner, beginnt mit seiner Doktorarbeit, hält sich an alle Auflagen. Dann wirst du unruhig wegen der Drohungen gegen Ellie, und natürlich gehört Roote zu den Leuten, die du genauer unter die Lupe nimmst. Und als du ihm einen Besuch abstattest, stellst du fest, daß er sich die Handgelenke aufgeschnitten hat.«
»Er wußte, daß ich komme«, sagte Pascoe. »Es war fingiert. Er war gar nicht in Gefahr. Nur ein perverser Scherz.«
»Vielleicht. Aber danach sah es nicht aus, als sich herausstellte, daß Roote absolut nichts mit den Drohungen gegen Ellie zu tun hatte«, entgegnete Wield. »Er erholt sich, und ein paar Monate später zieht er hierher, weil a) sein Doktorvater hierherzieht und b) er hier Arbeit findet. Du sagst, du hast mit den Bewährungshelfern gesprochen?«
»Ja«, erwiderte Pascoe. »Alles nach Vorschrift gelaufen. Sie wollten wissen, ob es ein Problem gibt.«
»Was hast du den Idioten erzählt?« fragte Dalziel, der Bewährungshelfer ebenso wie schottische Mücken, Vegetarier und moderne Technik als biblische Prüfungen der Leidensfähigkeit eines gerechten Mannes ansah.
»Ich sagte, nein, reine Routineüberprüfung.«
»Gut so«, lobte ihn Wield. »Du weißt ja, wie das aussieht. Der Mann sitzt seine Zeit ab, bekommt sein Leben wieder auf die Reihe, wird ohne Grund von einem rohen Polizisten schikaniert, dreht durch, versucht, sich etwas anzutun, erholt sich, kriegt noch mal die Kurve, findet wieder Arbeit, kümmert sich um seine eigenen Angelegenheiten, und dann wirft ihm derselbe Bulle vor, er stelle ihm nach. Du bist dann derjenige, der entweder als Neurotiker oder als rachsüchtiger Scheißer dasteht. Während Roote … einfach ein Mensch ist, der seine Strafe abgesessen hat und nur noch ein ruhiges Leben führen will. Ich meine, er hat nicht mal versucht, dich wegen Polizeischikane dranzukriegen oder dem Sheffielder Krankenhaus wegen unrechtmäßiger Kündigung ein Verfahren anzuhängen.«
Er trat vom Fenster an den Schreibtisch.
»Stimmt«, sagte Dalziel nachdenklich. »Das beunruhigt mich am meisten, daß er keinen Ärger machen will. Tja, mein Junge, es ist deine Sache. Aber ich wüßte, was ich tun würde.«
»Und das wäre, Chef?« erkundigte sich Pascoe.
»Ihm beide Beine brechen und ihn aus der Stadt jagen.«
»Ich könnte mir vorstellen, daß es in umgekehrter Reihenfolge sinnvoller wäre«, meinte Pascoe weise.
»Findest du? So oder so, du kannst ihm zuerst dieses blöde Ding in den Arsch stecken.«
Er starrte den Videorecorder wütend an, der, als würde er auf seinen furchteinflößenden Blick reagieren, plötzlich ansprang und ein Bild auf dem Fernseher erblühen ließ.
»Na bitte«, erklärte der Dicke triumphierend. »Ich hab’ euch doch gesagt, daß ein Haufen Blech und Drähte es nicht mit mir aufnehmen kann.«
Pascoe warf einen Blick auf Wield, der unauffällig die Fernbedienung auf den Schreibtisch legte, und grinste.
Eine Ansagerin verkündete: »Und nun
Out and About
, Ihr Regionaljournal, präsentiert von Jax Ripley.«
Dann kam der Vorspann mit einem Luftpanorama von Stadt und Umgebung, musikalisch untermalt durch die ersten Takte von »On Ilkla Moor Baht ’at«, gespielt von einer Blaskapelle. Anschließend erschien eine zierliche, beinahe kindliche Blondine mit strahlendblauen Augen. In ihrem breiten, lächelnden Mund blitzten weiße Zähne wie die Klinge eines Krummsäbels.
»Hi«, sagte sie. »Heute haben wir Ihnen allerhand zu bieten, aber zuerst: Erfüllt die Polizei ihre Aufgaben? Tut sie das, wofür wir sie bezahlen? Hier die ungeschönten Tatsachen.«
Es folgte ein hektischer Zusammenschnitt von Bildern ausgeraubter Häuser und deren Besitzern, die teils wütend, teils unter Tränen ihrem Gefühl Ausdruck gaben, die Polizei habe sie im Stich gelassen. Zurück zur Blondine, die eine Statistik verlas und anschließend resümierte: »In vier von zehn Fällen nimmt das Criminal Investigation Department nicht innerhalb von vierundzwanzig Stunden die Ermittlungen auf; bei sechs von zehn Fällen erfolgt eine einzige Befragung, und der Rest ist Schweigen; acht von zehn Fällen bleiben ungelöst. Allein für den vergangenen Monat verzeichnen die Akten
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