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Die rätselhaften Worte

Die rätselhaften Worte

Titel: Die rätselhaften Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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sollen?«
    »Das meint jedenfalls Mary Agnew«, antwortete Follows. »Sie ist über mich hergefallen, kaum daß diese Ripley gestern abend fertig war. Sie glaubte mir kein Wort, als ich ihr sagte, ich hätte nicht die leiseste Ahnung.«
    »Wenn sie reiflich darüber nachdenkt, dürfte sie mit dieser Formulierung keine Probleme haben«, meinte Dee.
    Das hat gesessen und ist doch so verbindlich vorgebracht, daß Follows sich keinen Gefallen damit tut, es als Beleidigung aufzufassen, dachte Rye. Auch das Gedicht war nicht schlecht. Zwar hätte sie gern geglaubt, daß Hat Bowler seine Anmach-Technik um diese altmodische Variante erweitert hatte, aber irgendwie konnte sie ihn sich schwer als liebeskranken Dichter vorstellen. Wie auch immer, man brauchte nicht Miss Marple zu sein, um den wahren Urheber dieser Strophen ausfindig zu machen. Sie hob langsam den Blick und war nicht überrascht, am anderen Ende der Bibliothek dem von Charley Penn zu begegnen, der sich auf seinem angestammten Stuhl herumgedreht hatte und sie mit unverhohlenem Wohlgefallen musterte.
    Sie ließ das Blatt zu Boden gleiten, wischte sich die Hand ab, wie, um sich von etwas Klebrigem zu befreien, und wandte sich dann demonstrativ der Aufgabe zu, die Post zu öffnen. Es war nicht viel, und es war auch nichts dabei, das besondere Aufmerksamkeit verlangte; also nahm sie sich widerstrebend wieder den Sack mit den Geschichten vor. Zwar war es die wahrscheinlich letzte Lieferung, doch war er prall gefüllt. Es hatte also offenbar einen Endspurt gegeben.
    Der Streit war noch im Gange, trat aber auf der Stelle. »Wenn ich die leiseste Ahnung gehabt hätte, worauf das hinausläuft, hätte ich dich natürlich informiert, Percy«, sagte Dee. »Aber die Polizei hat von uns absolute und ausnahmslose Verschwiegenheit gefordert.«
    »Ausnahmslos? Hättest du nicht erst einmal mich fragen sollen, bevor du überhaupt die Polizei einschaltest?«
    Treffer für Follows, dachte Rye. Doch der Bibliotheksdirektor besaß nicht die Geistesgegenwart, diese Schwachstelle auszunutzen, sondern drosch weiter wild drauflos, um einen K.-o.-Schlag zu landen.
    »Und wie um alles in der Welt hat Ripley überhaupt davon erfahren? Sie war gestern mit dir essen. Worüber hat sie mit dir geredet, Dick?«
    Keine schlechte Frage, dachte Rye und breitete die Geschichten vor sich aus.
    »Über den Wettbewerb natürlich. Es war mir klar, daß sie auf einem Fischzug war, sie hat nach merkwürdigen und ungewöhnlichen Beiträgen gefragt. Obwohl sie die Dialoge nicht direkt erwähnte, hatte ich doch den Eindruck, daß sie einiges darüber weiß, aber ich habe dieses Wissen ganz gewiß nicht vermehrt.«
    Wahr oder gelogen?
    Sie konnte sich nicht vorstellen, daß sich Dick Dee etwas entlocken ließ, was er nicht preisgeben wollte. Andererseits würde er seinen Teil eines Handels bestimmt zuverlässig erfüllen, selbst wenn die Vertragsbedingungen unausgesprochen geblieben waren. Er hatte ihre enge Zusammenarbeit nie dazu ausgenutzt, sie auch nur flüchtig zu berühren, geschweige denn zu begrapschen. Warum war sie da überrascht und auch ein wenig eifersüchtig, wenn Jax Ripley, die Blondine mit den blauen Augen und dem großen Mund, eher Anklang bei ihm fand? Und die Journalistin, so dachte sie weniger nachsichtig, wäre in ihrer leidenschaftlichen Gier nach einer guten Story gewiß nur allzu gern bereit gewesen, Dees Klöppel zu schwingen.
    Dieses Bild ließ sie beinahe laut auflachen. Direkt neben ihr ertönte wie zur Antwort ein Kichern. Penn hatte sich von seinem Platz erhoben und war an den Schalter getreten.
    »Gut, nicht wahr?« murmelte er. »Ich bin froh, daß ich so früh gekommen bin. Ah, da ist es ja. Wenn es nur nicht unter diese … diese Ergüsse gerät.«
    Er bückte sich und hob das Gedicht vom Fußboden auf.
    »Ich war vorhin schon mal hier, weil ich etwas mit Dick besprechen wollte, aber da fing der Spaß gerade an, und ich wollte nicht stören. Das muß ich liegengelassen haben. Eine Übersetzung von
›Du bist wie eine Blume‹.
Ich bin recht zufrieden damit. Was halten Sie davon?«
    »Ich? Hab’s kaum angesehen. Wenn Sie entschuldigen, aber ich habe viel zu tun. Oder wollen Sie mir etwa dabei helfen, die Arbeit ihrer Schriftstellerkollegen durchzusehen?«
    Er grinste über die Stichelei und sagte im Weggehen: »Da muß ich passen. Wie könnte mein kleines Licht den Glanz all dieser Talente ertragen?«
    Aber sie schenkte ihm keine Beachtung. Wie gewöhnlich teilte sie die

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