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Die rätselhaften Worte

Die rätselhaften Worte

Titel: Die rätselhaften Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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Geschichten in handgeschriebene und getippte ein und beförderte anschließend all jene aus der ersten Gruppe, die ihre gewachsenen Ansprüche an die Lesbarkeit nicht erfüllten, in den Papierkorb. Nun aber hielt sie einen getippten Text in Händen und las ihn mit wachsender Unruhe.
    »Scheiße«, murmelte sie.
    »Wie auch immer«, sagte Dick Dee, »wie sehr sich Miss Ripley auch bemüht, die Sache aufzurühren, das Ganze wird ein Sturm in der Teetasse bleiben, bei dem sie – um das Bild ein wenig auszubauen – am Ende gewiß mit bekleckertem Lätzchen dasteht, während auf dem schneeweißen Spitzendeckchen deines Rufes gewiß kein Krümelchen zu finden sein wird.«
    Dee hatte die Angewohnheit, seine Bissigkeiten blumig zu tarnen. Percy Follows schien diese Versicherung jedoch zu besänftigen, wie seine Körpersprache beim Verlassen des Büros verriet: Er versuchte, seine goldene Haarmähne glattzustreichen, die sich in Streßsituationen elektrisiert aufstellte wie das Schwanzgefieder eines aufgebrachten Paradiesvogels.
    Nicht der Mühe wert, Perce, dachte Rye.
    Dee folgte ihm auf dem Fuß und grüßte Rye mit einem Lächeln: »Guten Morgen.«
    »Morgen. Tut mir leid, ich war etwas zu spät dran«, sagte sie, den Blick auf Follows gerichtet, in der Hoffnung, er werde den Lesesaal verlassen.
    »So? Habe ich gar nicht bemerkt. Muß wohl schon wieder meine Uhr verlegt haben. Hast du sie irgendwo gesehen?«
    Die Sache mit Dees Uhr war ein Dauerbrenner. Er arbeitete nicht gerne an der Tastatur damit, weil er meinte, das störe seine Prosa. Aber sobald er sie ablegte, schien sie das zu empfinden, was Penn mit dem deutschen Wort
Fernweh
bezeichnete.
    »Schau mal auf dem mittleren Regalbrett nach. Da scheint sie sich besonders wohl zu fühlen.«
    Er bückte sich hinter den Tresen und tauchte mit einem Lächeln wieder auf.
    »Wie aufmerksam von dir. Da bin ich wieder im endlosen Strom der Zeit, was bedeutet, wir sollten uns an die Arbeit machen. Sind wir fertig, Percy?«
    »Ich hoffe, Dick«, sagte Follows. »Ich hoffe, dieser ganze Unfug ist bald vorbei, aber falls es neue Entwicklungen gibt, dann will ich der erste sein, der davon erfährt. Ich hoffe, du und deine Mitarbeiter sind da mit mir einer Meinung.«
    Er sah Rye vorwurfsvoll an. Sie setzte ein Lächeln auf und dachte:
Na gut, Perce, wenn das alles ist, das kannst du haben.
Dann sagte sie zu Dee: »Dick, ich fürchte, wir haben schon wieder einen bekommen.«
    Sie hielt die Blätter mit spitzen Fingern in die Höhe.
    Dee begriff sofort. »Schon wieder einen …? Mein Gott, doch nicht von diesen Dialogen? Zeigen Sie her.«
    Er versuchte, ihn ihr aus der Hand zu reißen, aber sie war schneller.
    »Es wäre nicht besonders klug, das anzufassen«, sagte sie. »Wir sollten es schnellstmöglichst bei der Polizei abliefern.«
    »So, meinen Sie das?« sagte Follows, dem sogleich wieder die Haare zu Berge standen.
    Einen Augenblick lang glaubte sie, er wolle ihr befehlen, ihm den Dialog auszuhändigen. Die Angestellten der Bibliothek, behauptete er gerne, seien eine große, glückliche Familie, doch wird im Familienleben nur selten Demokratie praktiziert, wie Dick einmal bemerkt hatte.
    Aber dieses eine Mal war Follows so vernünftig, es nicht auf eine Konfrontation ankommen zu lassen.
    »Gut«, sagte er. »Und vielleicht sollten wir auch eine Kopie für unsere liebe Miss Ripley machen. Allerdings würde es mich nicht überraschen, wenn sie schon eine hätte.«
    »Nein«, sagte Rye. »Glaube ich nicht. Obwohl sie vielleicht sogar Mitwisserin ist.«
    Sie bewegte behutsam die Blätter hin und her.
    »Ich hoffe, das ist alles nur die Ausgeburt einer kranken Phantasie, aber wenn ich richtig gelesen habe, dann will uns der Wordman mitteilen, daß er gerade Jax Ripley ermordet hat.«

[home]
    Elf
    H at Bowler betrachtete Jax Ripleys Leiche, und Kummer überwältigte ihn. Einen Moment bekam er sogar weiche Knie.
    Er hatte schon vor dem Beginn seiner noch kurzen Karriere Tote gesehen, und er hatte gelernt, ihren Anblick zu ertragen – kontrolliert atmen, an etwas anderes denken, ganz bewußt nicht den Blick fokussieren. Aber nun sah er zum ersten Mal den Leichnam eines Menschen, den er gekannt hatte. Den er gemocht hatte. Der so jung war wie er selbst.
    Du bemitleidest dich selbst, sagte er sich finster, in der Hoffnung, sich mit Zynismus zu fangen. Aber es nutzte nichts, und so wandte er sich unsicheren Schrittes ab, achtete allerdings darauf, nicht etwa haltsuchend nach etwas

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