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Die rätselhaften Worte

Die rätselhaften Worte

Titel: Die rätselhaften Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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die Sonne. Zweimal, dreimal, als ich erst in dieses, dann in jenes Gesicht schaute, wurden ihre Hitze und ihre Helligkeit fast unerträglich. Sollten sie alle gezeichnet sein? Vielleicht … aber ihre Zeit, besser, ihre Zeitlosigkeit, war noch nicht gekommen … auf jeden Fall konnte es nicht hier geschehen …
    Und dann hast du uns von Angesicht zu Angesicht einander gegenübergestellt.
     
    »Herr Stadtrat, ich würde gerne ein paar Worte mit Ihnen wechseln«, sagte Charley Penn zu Steel.
    »Ach? Normalerweise würde ich ja sagen, Worte sind umsonst, aber bei euch Schriftstellern ist das ja anders, stimmt’s? Ich hab’ neulich bei Smith gesehen, was ein Buch von Ihnen kostet. Davon könnte eine Familie eine Woche lang leben.«
    »Ihre Familie sicher nicht«, meinte Penn mit einem Seitenblick auf den schnittchenbeladenen Teller in der Hand des Stadtrats.
    »Meine?« schnaubte Steel verächtlich. »Meine Familie besteht nur aus mir alleine, Mr. Penn.«
    »Genau das wollte ich sagen.«
    Steel lachte. Eine seiner politischen Stärken war, daß man ihn nicht beleidigen konnte.
    »Weil’s mir schmeckt, meinen Sie?« fragte er. »Hau rein, wenn’s was gibt, das hat mich eine harte Kindheit gelehrt. Wenn ich auf eine Schickimicki-Schule gegangen wäre, wie Sie, würde ich mich vielleicht mehr zieren beim Essen. Nicht, daß man Fett ansetzen könnte bei diesem Vogelfutter hier. Und wer zahlt das alles, den Wein nicht zu vergessen? Der Steuerzahler natürlich.«
    »Nun, der kann sich das doch leisten, oder? Von den Millionen, die er einspart, wenn Sie es schaffen, den Zuschuß für meine Literaturwerkstatt zu streichen. Sind Sie endlich zufrieden, jetzt, wo Sie die Schafsköpfe Ihres Ausschusses so weit gebracht haben, das zu empfehlen?«
    »Nehmen Sie’s nicht persönlich, Mr. Penn. Man muß erst die Symptome behandeln, bevor man die Krankheit kurieren kann.«
    »Und was für eine Krankheit wäre das?«
    »Die Melogamanie des Staates«, meinte Steel. Er gab sich große Mühe mit diesem Wort, scheiterte aber dennoch daran.
    »Und das wäre was? Eine übertriebene Begeisterung für Musik?« fragte Penn.
    »Hab’ ich’s falsch erwischt?« meinte Steel ungerührt. »Egal, Sie wissen ja, was ich meine. Firlefanz wie dieses Zentrum hier zu bauen, wenn man das Budget des Stadtrates in zehn Jahren um sechzig Prozent zurückgefahren hat. Das nenne ich Melogamanie, wie immer Sie es gerne aussprechen. Wenn Sie sich darüber beschweren wollen, daß ein paar schicke Schlampen keine Kohle mehr dafür bekommen, Schmuddelbücher zu lesen, sollten Sie sich beim Bürgermeister beschweren. Oder bei seiner Frau. Die ist ja ein großer Fan von Ihnen, wie ich höre. Allerdings wird sie es wohl kaum schaffen, ihre Werkstatt zu retten, selbst wenn sie sich im Bett rar macht. Da bliebe ihm nur um so mehr Zeit für die anderen, was? Wenn man vom Teufel spricht … Guten Abend, Herr Bürgermeister! Wer hütet denn jetzt zu Hause die Maden?«
    Gerade kam Blossom vorbei. Er warf Steel einen finsteren Blick zu, während seine Frau ihn vom anderen Ende des Saals mordlustig anfunkelte, um anschließend Charley Penn mit einem andächtigen Lächeln zu bedenken.
    Steel bezog das Lächeln auf sich und rief. »n’Abend, Margot. Gut sehen Sie aus. He, junge Frau, gehen Sie nicht an einem verhungernden Mann vorbei. Werfen Sie mal ein Krümelchen rüber.«
    Diese Aufforderung erging an Rye Pomona, die mit ihrem Tablett in Rufweite gekommen war. Der Stadtrat plünderte es in Windeseile und fast ohne hinzusehen.
    »Soll ich Ihnen noch mehr holen, Mr. Steel?« fragte Rye zuckersüß.
    »Lassen Sie mal. Es sei denn, Sie können was Anständiges organisieren.«
    »Was zum Beispiel?«
    »Roastbeef mit Bratkartoffeln, das wäre nicht verkehrt.«
    »Roastbeef mit Bratkartoffeln. Ich werd’ in der Küche Bescheid sagen«, antwortete Rye mit ernster Miene.
    »Tun Sie das«, lachte Steel lauthals heraus. »Sie arbeiten in der Bibliothek, oder?«
    »Ganz richtig.«
    »Dann sagen Sie mir doch mal, für diese Kellnerei, kriegen Sie da den Tarif für Bibliothekare plus Überstundenzuschlag oder den Serviermädelsatz plus Trinkgeld?«
    »Jetzt machen Sie mal halblang, Steel«, fiel Penn ein. »Das ist selbst unter Ihrem niedrigen Niveau.«
    Rye sah ihn kühl an und sagte: »Ich glaube, ich kann für mich selbst sprechen, Mr. Penn. Tatsache ist, daß ich hier meine Freizeit opfere, die öffentliche Hand wird also nicht belastet. Aber wenn Sie ein Trinkgeld geben

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