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Die rätselhaften Worte

Die rätselhaften Worte

Titel: Die rätselhaften Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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Wort nur ein Same, der zu etwas Nonverbalem aufblühen muß. Das ist so eine Art Kreislauf. Zuerst war natürlich das Bild. Diese wunderbaren Höhlenzeichnungen! Laut neuesten Forschungen waren die Künstler nicht selten ziemlich bekifft – was auch immer sie in prähistorischer Zeit genommen haben mögen! Natürlich hatten ihre Bilder eine religiöse Bedeutung. Sie können auch praktischen Zwecken gedient haben, wie etwa:
Wenn du aus der Höhle rauskommst und links das Tal runtergehst, dann findest du dort eine schöne Antilopenherde fürs Abendessen.
Aber wenn’s darum ging, jemandem mitzuteilen:
Rennt, was ihr könnt! Der Tyrannosaurus ist
los! – dann ließen die Bilder doch zu wünschen übrig. Die Sprache wurde also ohne Zweifel aus der Not geboren. Doch bald schon erblühte sie im Lied, in der Poesie, in der Erzählung, dem Austausch von Gedanken, und daraus entwickelten sich neue und verfeinerte Formen von Kunst, die wiederum … nun, Sie verstehen schon, was ich meine. So ist ein Kreislauf entstanden, besser gesagt, ein Rad, denn es bewegt sich voran, während es sich dreht, und wir alle sind in der einen oder anderen Weise darauf geflochten. Allerdings ist es für einige ein Riesenrad, für andere ein Feuerrad.«
    Er schwieg und sah Bowler an, als hätte er ihn soeben gefragt: »Regnet es noch?«
    Leicht benommen sagte Bowler: »Kennen wir uns? Ich kann mich nicht erinnern …«
    »Nein, da haben Sie recht. Wir sind uns noch nicht begegnet, höchstens einmal beinahe, neulich. Roote. Francis Roote. Meine Freunde nennen mich Franny.«
    »Woher wissen Sie, wie ich heiße, Mr. Roote?«
    »Keine Ahnung. Möglicherweise hat mich ein gemeinsamer Freund auf Sie aufmerksam gemacht. Sergeant Wield vielleicht. Oder Mr. Pascoe. Da ist er ja.«
    Roote winkte kurz. Bowler sah in die angedeutete Richtung und begegnete dem tadelnden Blick von Pascoe. Er konnte verstehen, daß der Inspector nicht sonderlich erfreut wirkte. Es reichte schon, daß er hier dem Kerl begegnete, von dem er glaubte, er stelle ihm nach. Aber daß der sich dann auch noch fröhlich mit dem Constable unterhielt, der ihn mit größter Diskretion im Auge behalten sollte, das hätte jeden zu Dalzielschen Wutausbrüchen treiben können.
    »Jetzt muß ich mich entschuldigen. Es wird Zeit«, sagte Roote. »Jude Illingworth, die Kupferstecherin, führt ihre Arbeitstechnik vor, das will ich nicht verpassen.«
    Er ging auf eine Nische zu, in der Bowler eine hochgewachsene, kahlgeschorene Frau erblickte, um die sich bereits einige Leute versammelt hatten. Gleichzeitig nahm er im Augenwinkel wahr, wie Pascoe auf ihn zusteuerte, und machte sich auf ein paar harsche Vorwürfe gefaßt.
    »Sir«, sagte er vorbeugend, als der Chief Inspector bei ihm anlangte, »ich habe keine Ahnung, was er hier verloren hat. Soll ich die Gästeliste überprüfen? Vielleicht ist er aber auch mit einem Freund gekommen …«
    »Immer mit der Ruhe«, meinte Pascoe. »Ich kann mir schon vorstellen, wie er hier reingekommen ist. Weit mehr würde mich interessieren, wie es kommt, daß Sie sich offenbar so gut mit ihm verstehen?«
    Bowler erklärte, was sich zugetragen hatte.
    »Ich weiß wirklich nicht, wie er auf mich gekommen ist, Sir«, schloß er unglücklich. »Ich bin auf Zehenspitzen um ihn rumgeschlichen.«
    »Der Kerl ist eine Spinne«, sagte Pascoe. »Nicht von der Sorte, die ein Netz baut, sondern eine von denen, die ihre Fäden im Wind fliegen lassen. Und bei der leisesten Berührung weiß sie, daß man da ist.«
    Der redet ja beinahe so abstruses Zeug daher wie Roote, dachte Bowler.
    »Egal, schön, daß Sie hier sind, Hat. Ich will Sie nicht länger aufhalten. Sie sind sicher gespannt darauf, was der Abend so bietet. Und wenn Ihnen etwas Schönes begegnet, dann greifen Sie zu, das kann ich Ihnen nur raten. Vergeuden Sie nicht Ihre Zeit.«
    Himmel hilf, warum brachte denn der Anblick junger Liebe selbst einen vernünftigen Bullen wie Pascoe dazu, altjüngferliche Scherze zu machen? fragte sich Hat verärgert.
    Dann erspähte er, wonach er Ausschau gehalten hatte: Rye mit einem frischbeladenen Tablett voller Schnittchen.
    »Nein, Sir«, sagte er und ließ Pascoe stehen. »Ich werde meine Zeit nicht vergeuden.«
     
    Die Zeit war immer noch da, und ich war immer noch in ihr, doch während ich herumging und ihre unwissenden Sklaven beobachtete, überkam mich meine Aura in Wellen, oder eher noch in Stößen, so, als wäre ihr Ursprung ein großes, schlagendes Herz wie

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