Die rätselhaften Worte
lange im Criminal Investigation Department von Mid-Yorkshire hängenzubleiben. Er hätte es vermutlich als Karriereknick empfunden. Jetzt sah er das anders. Pascoe trug sein Herz nicht auf der Zunge, nicht einmal gegenüber seinen engsten Freunden, aber Wield war sich darüber im klaren, daß er seinen wahren Wert kannte. Auch war er sich bewußt, daß es Dinge im Leben gab, die weit wichtiger waren als beruflicher Erfolg. Wenn er es sich in den Kopf gesetzt hätte, Lorbeeren zu ernten, wäre er schon längst auf und davon gewesen. Aber nun hatte er andere Prioritäten. Geiseln des Glücks, so hat ein schlauer Bursche einmal Frau und Familie genannt, und wahrscheinlich hatte er das zynisch gemeint. Pascoe hatte in den letzten Jahren beinahe sein Kind und seine Frau verloren. Seitdem wußte er, welchen Preis er für ihre Sicherheit zu zahlen bereit war, nämlich jeden, und dazu würde er alles hergeben, worauf er hoffen konnte. Folglich stand ihr Glück bei all seinen Entscheidungen an erster Stelle.
Wenn die kleine Rosie in einigen Jahren aber eine weiterführende Schule besuchte, waren neue Entscheidungen fällig, dachte Wield. Früher hatten die Vorgesetzten gern Erpressermethoden angewandt:
Entweder Sie nehmen den Posten, oder Sie können zur Verkehrspolizei gehen!
Das war vorbei oder kam doch jedenfalls nur noch selten vor. Es gab noch andere, die dieses Zeitfenster bemerken und sich hinausbeugen würden, um Pascoe nach oben zu ziehen, sobald es sich ganz geöffnet hatte.
Natürlich lief nichts ohne König Dalziels Zustimmung.
»Wieldy, du stehst schon so lange hier rum, ich wundere mich, daß dich noch niemand gekauft hat.«
»Du kennst mich doch, Pete. Ich finde Menschen immer interessanter als Bilder.«
Hinter ihnen, aus der Nische, wo die Kupferstecherin ihre Künste vorgeführt hatte, waren mit einem Mal erregte Stimmen zu hören. Sie wurden gleich darauf von Sirenengeheul übertönt, das zwar weiter entfernt war, für ihre sensibilisierten Ohren aber wesentlich beunruhigender klang.
»Sanitäter?« fragte Pascoe.
»Ja. Und unsere Jungs«, antwortete Wield.
»Bist du auf Empfang?«
»Nein. Abgeschaltet«, sagte der Sergeant unerschütterlich.
»Ich auch.«
»Scheint aber ziemlich in der Nähe zu sein.«
»Wahrscheinlich ist irgendwo eine Oma unter der Last ihrer Einkaufstüten zusammengebrochen«, meinte Pascoe. Er wußte, daß Ellie, aufgeschreckt von jeder Polizeisirene und der von ihr verkündeten Gefahr, ihn jetzt scharf beobachtete, um herauszufinden, ob er sich irgendwie beteiligt glaubte.
»Entschuldigen Sie«, sagte hinter ihm jemand in breitem Yorkshire-Akzent. »Sie sind ein Bulle, hat man mir gesagt, stimmt das?«
Er wandte sich um und erblickte hinter sich die schlaksige Frau in rotem Arbeitskittel und schwarzen Strumpfhosen, die ihren Kopf so kahlgeschoren trug wie Sigourney Weaver in
Alien 3.
Es war Jude Illingworth, die Kupferstecherin.
»Ja«, gab er widerwillig zu. »Ist was passiert?«
»Kann man so sagen. Da denkt man, so was kommt nur auf der Kunstmesse vor, wo jeder hindarf. Was da nicht niet- und nagelfest ist, das wird auch geklaut. Aber bei so einer Schickimicki-Veranstaltung …«
Ich habe keine Eile, denn dort, wo es keine Zeit gibt, hat Hast keinen Sinn. Ich folge ihm nur mit den Augen und warte. Die Tür öffnet sich, ein Mann kommt heraus. Ich beobachte ihn, bis er außer Sicht ist, dann gehe ich hinein.
Und da steht er, genau, wie ich es erwartet habe. Allein, über das Waschbecken gebeugt, wäscht er sich das Gesicht
Ich nähere mich ihm von hinten. Er hebt den Kopf und sieht mich im Spiegel.
Ach, ist das herrlich. Das ist der Lohn für mein Vertrauen. Ich habe keine Wahl in diesen Dingen, doch wenn, dann hätte ich es so gewählt, denn so kann ich Spieler und Publikum zugleich sein.
Ich sehe sein Gesicht im Spiegel und meins dazu. Meine Lippen kräuseln sich zu seinem Lächeln, seine Augen weiten sich vor Überraschung, aber nicht vor Angst. Ich bin nicht der dunkle Sendbote der Nacht, ich bringe das Licht, die Angst gehört nicht zu meiner Botschaft. Dieser Mensch mit seiner Gier, seinen Bauch vollzustopfen, während er den Seelen seiner Mitmenschen ihre natürliche Nahrung verwehrt, ist nicht vom Bösen getrieben, sondern von einer entarteten Güte, was noch schlimmer ist. Ihn von seiner Qual zu erlösen und zugleich von der, die er anderen zufügt, das ist meine Mission.
Also rede ich beruhigend auf ihn ein, äußere ein paar nette, freundliche
Weitere Kostenlose Bücher