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Die Raffkes

Die Raffkes

Titel: Die Raffkes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndorf Jacques
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Westernhage, vierunddreißig. Wohnt irgendwo in Mitte, warte mal, ja hier: Stralauer Straße 13. Notiert? Gut. Und noch einmal vielen Dank.« Er sah zu Mann hoch und wirkte zum ersten Mal unsicher. Mann war irritiert. »Warum soll ich diese Frau besuchen? Der Fall ist nicht mehr unser Fall.« »Das ist richtig. Aber die Aussage dieser Frau ist möglicherweise wichtig. Und du, mein Lieber, verfügst über das erste Gesicht, das diese total geschockte Frau nach der Explosion gesehen hat. Als sie noch nicht wusste, ob sie schon im Himmel oder noch auf der Erde war. Und ich will wissen, was sie weiß.« Ziemann beugte den Kopf vor. »Ich bin ein sehr alter Hase und weiß gern, was läuft. Auch wenn ich nichts mehr damit anfangen kann.« »Du traust dem Braten hier überhaupt nicht«, stellte Mann verblüfft fest. »Ich traue der Politik nicht«, nickte Ziemann. »Reich mir deine Berichte persönlich rein, kein Dienstweg. Geht das?« »Du solltest vielleicht ein, zwei Stunden schlafen.« »Das sagt meine Frau auch immer«, lächelte der Kriminalrat. »Aber wegen der Dringlichkeit des Falles bin ich jetzt gezwungen, in die Pathologie zu fahren und Zeuge der ersten Obduktionen zu sein. Wer immer diese Bombe explodieren ließ, er stammt aus dem Reich des Bösen. Der amerikanische Soziologe Richard Sennett hat kürzlich den gegenwärtigen amerikanischen Präsidenten einen dekadenten Menschen genannt, an dem der Besuch der besten Schulen des Landes spurlos vorbeigegangen ist. Kaum ist hier die Bombe geplatzt, nennt der Präsident auch schon öffentlich die Namen der Mörder, alles Terroristen. Er sagt, dass dieser Anschlag die eindeutige Handschrift der Talibankrieger um Osama Bin Laden trägt. Und dass das amerikanische Volk nicht dulden werde, dass der Krieg nach Berlin hineingetragen wird. Diese Stadt habe in der Vergangenheit so viel gelitten. Er werde persönlich dafür sorgen, dass dergleichen nicht wieder vorkommt. Und ich, der kleine Ziemann, sage dir: Wer immer diese Bombe geworfen hat, mein Junge, er meinte nicht den Israeli.« Ziemanns Ton war böse, angriffslustig, verächtlich. »Aber der Innenminister wird doch ein ordentliches Ermittlungsverfahren auf die Reihe bekommen!« Mann kam sich ein wenig so vor wie ein Kind, das etwas verstehen soll, was es nicht verstehen kann. Ziemann reagierte nicht, sondern zog ein großes leinenes Taschentuch aus der Hosentasche und wischte sich damit über das Gesicht. »Wir sehen uns«, murmelte Mann höflich, denn Ziemann wollte wohl nichts mehr sagen. Mann ging in die Nacht, entfernte sich vom Ort des Schreckens, um nach wenigen Metern schmerzhaft feststellen zu müssen, dass er den Schrecken in sich trug. Ein uniformierter Polizist hob das Plastikband hoch, um ihn passieren zu lassen. »Feierabend, was?« »Noch nicht ganz«, gab Mann zurück und trabte versunken in eine Gruppe Neugieriger hinein. Eine Frau stieß ihn an: »Wie viele hat es denn erwischt?« »Vierzehn«, antwortete Mann mechanisch. Brüsk drehte er sich um und kehrte zurück an die Stelle, wo der Unbekannte mit dem Vogelkopf durch die Absperrung geschlüpft war. Eine Polizistin stand dort. »Mann ist mein Name, Staatsanwaltschaft«, sagte er. »Im Laufe des späten Abends ist hier ein Mann aufgetaucht, der einfach nur den Unglücksort anstarrte, sonst nichts. Dann machte er kehrt und verschwand wieder. Können Sie sich an ihn erinnern?« »So ein dunkler Typ«, nickte sie. »Hat nichts gefragt, wollte nichts wissen, kam her, zeigte mir seinen Dienstausweis und stand dann mindestens eine halbe Stunde vor dem kaputten Lokal. Der war vom Verfassungsschutz!«, sagte sie. »Und der Name?« »Den weiß ich nicht mehr, aber der Ausweis war sauber.« Wahrscheinlich hätte sie sich den Namen notieren müssen und war deshalb leicht verlegen. »Kein Problem«, meinte Mann freundlich und machte sich endgültig auf den Weg.

ZWEITES KAPITEL 

    Mann lief gebeugt, als wollte er sich verstecken. Die meisten Kneipentüren standen weit auf. Das Volk der Nacht war laut und sehr fröhlich. Er begann zu frieren und fragte sich, weshalb er seinen Mantel zu Hause gelassen hatte. Dann fiel ihm ein, dass er zu Beginn des Abends einen Trenchcoat getragen hatte. Er konnte sich später nicht daran erinnern, in welcher Straße ihn die junge Hure angesprochen hatte. Er schätzte sie nicht älter als vierzehn, fünfzehn Jahre, aber ihr Blick war der einer Greisin. Sie war klein und schmal mit einer durchscheinenden Haut und blassblauen

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