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Die Raffkes

Die Raffkes

Titel: Die Raffkes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndorf Jacques
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Augen. Sie trug eine elend kurze Hose aus Jeansstoff mit einem zu großen weißen T-Shirt, wahrscheinlich hatte ihr jemand gesagt, das würde Männer anmachen. Kindlich sagte sie: »Du kriegst bei mir das volle Menü.« »Wie bitte?«, fragte Mann verblüfft. »Na ja, du kannst alles haben. Wirklich alles. Ich bin gut.« »Ach, Kindchen«, Mann war es lästig, mit dieser Art von Wirklichkeit konfrontiert zu werden. »Mir ist nicht nach so was.« »Aber ich bin gut. Auch zum Beispiel im Kuscheln.« Sie stakste auf dünnen Beinen neben ihm her. »Das ist nett von dir. Sag deiner Mutter einen schönen Gruß.« »Kennst du die etwa?« »Nein«, gab Mann zurück. »Ich muss weiter, ich will heim.« »Diese Nacht ist wirklich nichts los«, klagte sie. »Wegen der Sache am Ku’damm. Siebzehn Tote haben die eben im Fernsehen gesagt.« »Ich wusste nur was von vierzehn«, murmelte Mann hohl. Stralauer Straße Nummer 13 war ein Neubau, viergeschossig mit glatter, abweisender weißer Straßenfront, in der die Fenster wie dunkle Gucklöcher wirkten. Es gab sechs Klingeln. Zwei davon gehörten zu einer Firma namens  Immosat , die vier anderen waren mit Familiennamen versehen. Nach Anordnung der Klingeln wohnte die Frau im ersten Stock rechts.  Westernhage  stand da. Mann schellte und dachte unbehaglich, dass es eine schier unglaubliche Zeit war. Zwei Uhr neunzehn. Erstaunlich schnell fragte eine hellwache Frauenstimme: »Ja, bitte?« »Staatsanwaltschaft. Mein Name ist Mann. Kann ich Sie sprechen?« »Selbstverständlich«, sagte die Stimme, blechern verzerrt durch den Lautsprecher. Mann drückte die Tür auf und ging die Treppe hinauf. Das Treppenhaus war edel gehalten. Aus Tropenholz die klobigen Stufen genauso wie der Handlauf, an den Wänden breite rote Steinstreifen, die aussahen, als handle es sich um Marmor. Gab es roten Marmor überhaupt? Die Frau stand in der halb offenen Wohnungstür und lächelte etwas nervös mit breitem, grell geschminktem Clownsmund. Sie trug irgendetwas halb Durchsichtiges mit einem bläulichen Schimmer und Mann konnte erkennen, dass ihr Slip nur ein schwarzes Etwas war. Sie hatte wohl geduscht, denn ihr Haar war noch nass. »Ich habe mir schon gedacht, dass noch jemand auftaucht«, sagte sie. Ihre Stimme war ein klarer Alt. »Schönen Dank, dass Sie mich auf dem Klo gefunden haben.« »Schon gut. Wissen Sie denn, wie Sie dorthin gekommen sind?«, entgegnete Mann. Sie reichte Mann kaum bis zur Schulter und wirkte zierlich. Ihre Füße steckten in einfachen roten Lederslippern. »Machen Sie bitte die Tür zu«, sagte sie statt einer Antwort und ging vor ihm her. »Sie müssen die etwas verrückte Zeit entschuldigen, aber wir wollen ganz schnell mit … mit jedermann sprechen, der das überlebt hat.« »Natürlich«, nickte sie. »Wollen Sie etwas trinken?« »Nein danke. Oder vielleicht doch, ein Wasser.« Der Raum war sehr groß und die Einrichtung aus Glas, Acryl, Stahl und gebürstetem Aluminium, das Ganze wirkte sachlich und kühl, streng aufeinander abgestimmt, handgemacht, teuer. Zu der Sitzecke gehörte ein kantiges Sofa aus schwarzem Leder. Es gab drei überdimensionierte Bodenvasen mit weißen Liliengewächsen, aber es war nicht auszumachen, ob sie aus Seide oder tatsächliche Blumen waren. Mann fühlte sich unbehaglich, er dachte: Hier kann niemand wirklich zu Hause sein. »Ich habe erst mal eine Stunde lang geduscht.« Marion Westernhage brachte eine Flasche Wasser und ein Glas und goss ihm ein. Dann setzte sie sich jenseits des flachen Tisches auf das Sofa, zog die Beine unter den Körper und sah ihn brav an. »Fragen Sie.« Es klang wie: »Fragen Sie, aber nicht zu sehr!« Mann nahm ein Glas und trank einen Schluck. »Ich bin da reingerutscht, ich helfe nur aus. Und ich muss aussehen wie ein Erdferkel. Darf ich mir eben die Hände waschen?« »O ja, natürlich. Das Badezimmer ist links, erste Tür. Ich glaube, ich trinke einen Sekt.« Mann schloss die Tür hinter sich ab. Er zog seinen schwarzen Rolli aus und ließ ihn auf den Boden fallen. Dann wusch er sich gründlich mit kaltem Wasser ab. Ich bin verrückt, nachts durch Berlin zu laufen und Leute mit Fragen zuzupflastern, dachte er. Ich muss verrückt sein. Na ja, aber ich habe einen Auftrag, ich mache es für Ziemann. Der steht wahrscheinlich gerade in der Pathologie und schaut den Metzgern zu. Das ist viel schlimmer als das hier. Die Badewanne war nicht aus Plastik und teuer ausgestattet als Whirlpool für zwei Personen. Die

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