Die Raffkes
herum.«
»Was ist, wenn dein Mann nach Hause kommt?«
»Der kommt nicht mehr, der ist wahrscheinlich bei seiner Mutter in Marzahn.«
»Wenn sie wach wird, muss sie sofort eine neue Tablette nehmen. Und wenn irgendetwas ist, ruf den Hausarzt.«
»Ja, klar, bei dem bin ich auch in Behandlung. Mach dir keine Sorgen … Wer bist du eigentlich?«
»Ich bin Staatsanwalt, ich habe mit Erich bei dem Attentat zusammengearbeitet.«
»Ach, Erna hat von dir erzählt. Gibst du mir deine Telefonnummer?«
»Hier ist meine Karte«, sagte Mann. Als er in seinem Auto saß, spürte er die Kühle des Morgens und fragte sich, wohin er fahren sollte. Einmal mehr entschied er sich für den Grunewald. Er bemühte sich, leise zu sein, aber er stolperte vor dem Eingang. Als er die Tür aufschloss, stand John da und sah ihn erschrocken an. »Du siehst aus wie ein Gespenst.«
»Ziemann hat sich erschossen«, stieß Mann aus und unvermittelt liefen ihm Tränen über das Gesicht.
John wusste nicht, wer Ziemann war, aber im Grunde war das gleichgültig. Er nahm Mann an die Hand und führte ihn in den Salon. »Setz dich auf die Couch, ich hole dir einen Kognak.«
»Keinen Alkohol«, winkte Mann ab und vergrub sein Gesicht in einem muffig riechenden Kissen. Er spürte, dass sich John in einen Sessel setzte und ihn still betrachtete.
Irgendwann schlief Mann ein.
Er wachte schweißgebadet auf, wusste aber nicht, was er geträumt hatte. Wo John gesessen hatte, saß jetzt Tante Ichen.
»Junge«, fragte sie, »was ist passiert? Was hat mir John da erzählt?«
Sie trug ihren ›Büroschmuck‹. Dezent, wie sie es nannte. Ein Brillant an der rechten Hand, einer an der linken, einer als Brosche gearbeitet. Und es mussten insgesamt sechs oder acht Karat sein. Sie wiederholte ihre Frage, weil Mann noch immer wirkte, als sei er nicht von dieser Welt. »Warum hat er sich erschossen?«
»Das weiß keiner.«
»Und wie geht es nun weiter? Ich meine, mit dir?«
»Auch das weiß ich nicht. Es ist schon nach eins. Ich muss zu meinem Chef.«
»Wer ist denn jetzt dein Chef?«
»Immer noch derselbe. Kolthoff, Jugendkriminalität.« Während er das sagte, wurde Mann klar, dass er sich selbst nicht mehr sicher war, ob das noch stimmte.
Mühsam und stockend erzählte Mann nun genau, was letzte Nacht passiert war. Er schloss: »Ziemann war so vital, Tante Ichen, so lebhaft, und er … ich dachte, er sei jemand, dem das Leben Spaß macht. Und er … ach Scheiße!«
Tante Ichen war diejenige, die es aussprach: »Kann es denn nicht sein, dass er sich gar nicht selbst umbrachte, sondern umgebracht wurde?«
»Wie soll das gegangen sein?«, fragte er zurück. »Und warum?«
»Na ja, warum … Weil er vielleicht anders als andere gedacht hat? Wenn er zum Beispiel dachte, er könnte etwas beweisen, auf das diese Spezialstaatsanwälte, die die Bankgesellschaft untersuchen, nicht gekommen sind?«
Mann erwiderte nichts darauf.
Er rasierte sich nicht, sondern wechselte nur die Wäsche und verließ dann das Haus, in dem er sich immer noch zu Hause fühlte.
In Kolthoffs Büro hatte sich eine große Runde eingefunden, die heftig diskutierte. Mann stand in der Tür und sagte: »Entschuldigung. Ich komme später wieder.«
»Bleib da, Jochen«, sagte Kolthoff schnell. »Haut ab, Leute, wir machen nachher weiter.«
Als sie allein waren, setzte Mann sich in einen kleinen Sessel: »Tut mir Leid, ich bin erst um fünf ins Bett gekommen.«
»Ja, ich weiß. Du warst doch noch bei Ziemann.«
»Ich musste«, entgegnete Mann. »Wir waren so etwas wie ein Team.«
Sein Chef nickte. »Und? Ist dir irgendetwas aufgefallen?«
»Eigentlich nichts. Aber er hatte kurz vor seinem Tod einen Besucher. Kein Mensch weiß bisher, wer das war. Auch seine Frau nicht. Haben die Spurenleute was gefunden?«
»Ich weiß doch auch nicht viel. Sie sagen, er hat selbst geschossen, nach Lage der Fingerabdrücke auf der Waffe.«
»Sie waren schnell, aber nicht gründlich«, meinte Mann tonlos. »Die Kollegen haben zwei Teetassen und ein Teekännchen übersehen. Ich habe sie im Kofferraum. Was passiert jetzt mit mir?«
»Zuerst interessiert mich, wie es dir geht?«
»Wieso ist das wichtig?« Er hatte es nie gemocht, wenn Kolthoff so väterlich tat, obwohl er wusste, dass das durchaus ehrlich gemeint war.
»Glaubst du, das sei mir egal?«
»Entschuldige. Das war ein bisschen viel die letzten Stunden. Wie weit sind die Amerikaner?«
»Sie haben Unflat gesät und geben jetzt zögerlich zu, dass der Israeli wohl nicht gemeint
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