Die Raffkes
Kollege.«
»Ich bin in einem kleinen Hotel in Falkenhagen«, erklärte Mann. »Hier störe ich niemanden.« Er setzte hinzu: »Im Augenblick bin ich lieber allein.«
Kurz darauf rief Marion Westernhage an. Ihre Stimme klang unsicher. »Ich dachte, ich melde mich mal. Das, was mit diesem Ziemann passiert ist, ist ja furchtbar.«
»Ja«, bestätigte Mann. »Es hat mich umgeworfen. Ich mochte ihn sehr. Wie geht es dir?«
»Ganz normal. Mein Chef ist wieder da und hat beste Laune, weil er ein Geschäft mit Sittko gemacht hat.«
»Ich denke, er macht dauernd Geschäfte mit Sittko.«
»Ja, ja, aber das war halb privat.« Sie machte eine Pause. »Du musst wahrscheinlich alles an deine Kollegen weitergeben, was ich dir erzähle. Ich meine die, die im Fall der Bankgesellschaft ermitteln, oder?«
»Die Bankgesellschaft ist nicht mein Thema und die Geschäfte sind mir schnurz. Solange du mir nicht sagst, dass dein Chef irgendwo bündelweise Bares klaut …«
»Wo bist du eigentlich? Zu Hause?«
»Nein. Ich bin in Falkenhagen, in der Nähe von Frankfurt an der Oder. Ein hiesiger Vietnamese hat die Bombe in Berlin hochgehen lassen. Was ist das für Geschäft, das Dreher da abgeschlossen hat?«
»Sittko hat für ihn ein halbes Dutzend ABCBaumärkte gekauft, die jetzt in die Fonds gestellt werden sollen.«
»Und was ist daran bemerkenswert?«
»Daran ist bemerkenswert, dass diese Baumärkte vorher in Drehers Privatbesitz waren. Also eigentlich nicht in Drehers, aber seine furchtbare Frau ist Eigentümerin einer Baumarktkette. Hier im Haus geht das Gerücht, dass diese Baumärkte zum Teil ziemlich beschissen laufen. Und den Schrott hat Sittko Dreher jetzt im Auftrag der Bankgesellschaft abgekauft.«
»Das ist doch nicht möglich«, empörte sich Mann. »Ist denn niemand bei euch im Haus, der das anmahnt?«
Sie lachte. »Wer sollte das tun, wenn der Chef persönlich das Geschäft absegnet? Glaubst du im Ernst, dass da noch jemand den Mund aufmacht?«
»Aber das riecht doch nach Vorteilsnahme. Um nicht zu sagen nach Beschiss.«
»Dieser Laden hier läuft eben wie eine Frittenbude. Wenn was Geld bringt, wird es gemacht.«
»Wie kann so ein Geschäft Geld bringen?«, fragte er verwirrt.
»Da hängen doch Kredite dran! Solche Geschäfte laufen immer über Kredite und mit Krediten verdient eine Bank nun mal Geld.«
»Davon laufen die Baumärkte aber auch nicht besser«, stellte er sachlich fest. »Und wenn’s schief geht, muss die Bank beziehungsweise am Ende dann der Steuerzahler für die Kredite aufkommen.«
»Ja, so ist das. Doch das ist erst mal unwichtig. Zunächst wird das große Rad weitergedreht und zunächst spült das Geld rein.«
»Wenn ich dir so zuhöre, gewinne ich den Eindruck, dass ich den falschen Beruf habe.«
Sie lachten zusammen, bis sie sagte: »Ich wünschte mir, ich wäre bei dir.«
»Dann setz dich in dein Auto und komm her.«
»Morgen früh muss ich wieder arbeiten«, sagte sie zögerlich. »Normalerweise wäre ich verrückt genug. Aber im Moment möchte ich hier ungern fehlen.«
»Wieso das? Wenn Dreher doch so gute Laune hat …«
»Schon, aber es gibt Gerüchte. Dazu würde auch der Baumarkt-Deal passen. Gertchen, der normalerweise immer gut informiert ist, sagte heute Mittag in der Kantine, möglicherweise bereitet Dreher seinen Absprung vor.«
»Meinst du, dass dieser Blandin ihn abschießen will?«
»Nein, nein. Ich denke, Dreher weiß von allein ganz genau, wann es genug ist. Stört dich das eigentlich, wenn ich dich anrufe? Abends? Was ist, wenn deine Freundin das mitkriegt?«
Er überlegte einen Augenblick und sagte dann fest: »Ruf mich an, wann immer du willst. Ich bin schließlich erwachsen. Mach es gut.«
Zurück in seinem Zimmer legte er sich auf das Bett und schaltete den Fernseher ein. Irgendein Hollywood-Schinken lief, pathetisch und dumm. Mann zappte sich durch alle Programme, fand nichts, was ihn interessierte, und schaltete wieder aus. Dann döste er ein, wachte um zwei Uhr auf, dachte über sich und Marion nach. Ziemann hätte Hurra geschrien, wenn er auf Marion hätte zurückgreifen können, auf die Person, die einer Schlüsselposition in der Bankgesellschaft am nächsten saß. Gerne hätte Mann jetzt mit Ziemann darüber diskutiert. Ihm wurde bewusst, dass er sich einsam fühlte.
Es war drei Uhr, als sein Handy sich meldete. Er dachte sekundenlang, das könne nur Marion Westernhage sein, die ebenfalls nicht schlafen konnte. Aber es war sein Vater, der völlig betrunken herumtrompetete, er
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