Die Raffkes
gesprochen?«
»O ja. Oft. Es waren sehr gute Gespräche. Beide lauschten wir stets aufmerksam der Führungsriege der Banker, wenn sie erzählten, dass ihnen ihre Wirtschaftsprüfer und andere Fachleute bestätigten, dass sie alles richtig machten. Ziemann und ich haben uns gefragt, wie das möglich ist, dass diese Bankgesellschaft praktisch pleite ist und kein einziger der Verantwortlichen vor dem Kadi steht, wahrscheinlich nie stehen wird.«
»Sagen Sie mir, was Sie wissen, und ich wende mich an eine kompetente Stelle, die damit etwas anfängt.«
Brauer begann sanft zu lachen, sein Körper bebte regelrecht. »Ihr oberster Chef, der Generalstaatsanwalt, lieber Mann, hat der Führung der Bank so etwas wie einen Persilschein verpasst. Ihr oberster Chef wollte gar nicht, dass da jemand genau hinsieht. Das konnte er nicht wollen. Sonst hätte er sich selbst ein Bein gestellt. Er wäre der Erste gewesen, der wegen Strafvereitelung im Amt dran gewesen wäre. Und noch ist nicht sicher, ob er seinen Stuhl wirklich los ist. Also, an wen wollen Sie sich wenden?«
»Mir wurde zugetragen, dass diese Immobilienfonds mit Schrottbuden bestückt sind. Ist das wahr?«
»Das stimmt. Wollen Sie wissen, wie es dazu kam?«
»Ja klar.«
»Gut, dann erzähle ich Ihnen eine Geschichte: Eines Tages kam die Bankgesellschaft auf die Idee, Immobilienfonds unter die Leute zu bringen, und Sittko wurde losgeschickt, Immobilien zu kaufen und die Fonds zu füllen. Doch so viele lukrative Objekte gibt es gar nicht zu kaufen, warum sollte sich ein Besitzer von etwas trennen, was etwas einbringt? Daher kaufte man, um die Fonds füllen zu können, in zunehmendem Maß jeden Scheiß, der auf dem Markt war. Die wunderbaren und aufwändigen Vierfarbdrucke, die für die Fonds werben, erzählen natürlich nur, wie toll jedes Objekt ist. Sie erzählen aber nichts davon, dass man in manch eine Immobilie erst mal dreißig Millionen und mehr reinbuttern muss, damit das Ding überhaupt nutzbar ist. Wobei – vielleicht würde die Investoren das sowieso nicht interessieren. Die interessiert vor allem eins: dass die Bankgesellschaft, beziehungsweise die für diesen Zweig zuständige Teilbank, die Mieten über fünfundzwanzig Jahre garantiert. Was am Ende natürlich bedeutet, dass der Steuerzahler für die Mieten geradestehen muss. Also: null Risiko für die Fondszeichner.«
»Sie regen sich ja richtig auf«, sagte Mann amüsiert. »Und was machen wir jetzt mit dem toten Huu Vinh?«
Brauer schwieg eine Weile, kaute wieder auf dem Grashalm. »Ich mach gar nichts mehr, ich weiß schon, dass ich wieder abgezogen werde«, erklärte er melancholisch. »Doch wir gehen wahrscheinlich beide davon aus, dass der Vietnamese die Bombe wegen einer großen Summe Geld gezündet hat. Und dass er das Geld vor der Tat bekommen hat. Ist das so?«
Mann nickte. »Doch die Kripo hat die Häuschen dort durchsucht. Und ich nehme an, sie waren wegen der Bedeutung des Falles mehr als pingelig. Sie haben nichts gefunden.«
»Der Vietnamese wird sich schon gut überlegt haben, wo er das Geld versteckte. Das ist nicht die Stecknadel im Heuhaufen, das ist ein Stecknadelkopf in hundert Heuhaufen. Ich hocke hier seit einer Stunde und sehe mir die Häuschen an. Nichts erhellt meinen Geist. Das Einzige, was mir klar geworden ist, ist, dass selbst wenn ich das Geld finde, ich immer noch nicht weiß, wer es dem Vietnamesen gab. Richtig?«
»Richtig. Und wahrscheinlich gleichzeitig falsch«, sagte Mann. »Wenn Huu die Bombe in Berlin übernommen hat, wird er das Geld auch erst dort bekommen haben. Entweder er hatte es bei sich und es ist pulverisiert oder er hatte noch Gelegenheit, es irgendwo zu deponieren. Die Generalfrage für mich ist: Wie geriet Huu Vinh an den Mann, der ihm sagte: Ich habe einen Auftrag für dich? Das kann nur hier passiert sein, denn soweit ich Ossietzky verstanden habe, verließ Huu die nähere Umgebung nicht. Er war regelmäßig in Slubice und an der Zollstelle, da, wo sich die Lkw-Fahrer sammeln. Das andere Ende der Bombenkette ist Dr. Walter Sirtel. Die Leute, die die Bombe in Auftrag gegeben haben, hatten also eine Verbindung zu Sirtel und zu dem Vietnamesen. Und noch etwas gilt es zu überlegen: Sirtel muss pausenlos beobachtet worden sein, sonst hätten sie nicht gewusst, dass er in dieses Restaurant ging. Jemand muss entschieden haben: Jetzt die Bombe!«
»Ich finde es nur merkwürdig, dass so ein verrückter Aufwand getrieben wurde«, erwiderte Brauer gemütlich.
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