Die Raffkes
Frau wusste von nichts, da bin ich mir sicher. Sie ist völlig durchgedreht, als wir ihr die Nachricht überbrachten.«
»Sie haben ihre Bleibe durchsucht?«
»Natürlich. Wir haben gestern sozusagen keinen Stein auf dem anderen gelassen. Aber ohne was zu finden, keine Hinweise auf einen Bombenbau, keine auf Geld, keine Spuren zu möglichen Kontaktleuten. Ich fahre Sie dahin, damit Sie sich selbst einen Eindruck verschaffen können.«
»Was ist mit Geld? War Huu der Typ, der ab einer bestimmten Summe alles macht?«
»So ganz auszuschließen ist das nicht. Die Vietnamesen spielen alle Lotto und Toto. Das ist so ein beständiger Traum, dass irgendwann die Millionen vom Himmel fallen.«
»Was ist denn für die viel Geld?«, fragte Mann.
»Ich würde sagen, fünftausend Euro sind eine dicke Stange. Zehntausend sind schon etwas nicht Fassbares. Und mehr könnten sie wahrscheinlich gar nicht aushalten. Sehen Sie da, da sind die Häuser, in denen auch Huu mit seiner Familie wohnte. Das ist eine aufgelassene Straße, hier sollte eine neue Siedlung entstehen. Die Häuser, es sind drei, waren schon geräumt. Dann ging der Gemeinde das Geld aus und der Plan wurde vertagt, bis bessere Zeiten kommen. Und schon waren Huu und seine Leute hier und richteten sich ein.«
»In allen drei Gebäuden?«
»Nein, in zweien. Das dritte ist unbewohnbar. Wollen Sie die Familie sehen?«
»Ja, aber Sie brauchen nicht auf mich zu warten, ich komme zu Fuß zurück. Wahrscheinlich fahre ich dann gleich wieder nach Berlin. Ich weiß nicht, was ich hier soll. Ich rufe Sie dann an«, versprach Mann und stieg aus.
Im Osten waren dunkle Wolken am Himmel, aber der Wind kam aus West und blies sehr sanft. Rechter Hand zeigten Kirchtürme die Stadtmitte an, links standen vor dem Waldrand die kleinen Häuschen wie freundliche helle Schatten. Mann sah noch zu, wie Ossietzky wendete und wegfuhr. Dann machte er sich auf den Weg.
Der Trampelpfad führte über eine Wiese, die mit kleinen Schwarzdornbüschen und mit Ginster besetzt war. Es roch sehr frisch und kein Mensch war zu sehen.
Mann kamen Zweifel, ob er die Familie wirklich in ihrer Trauer stören sollte. Was hätte wohl Ziemann getan? Unschlüssig musterte Mann seine Umgebung.
Da erfasste sein Blick Gisbert Brauer. Der Mann vom Verfassungsschutz hockte hinter einem Weißdorn und starrte gelangweilt auf die Stadt.
Ohne Betonung sagte er: »Ich grüße den Abgesandten aus der Hauptstadt. Was glauben Sie, was Sie hier finden können?«
»Keine Ahnung. Aber langsam stören Sie mich. Wieso tauchen Sie immer dort auf, wo ich zu tun habe? Und was hat der Verfassungsschutz mit alldem zu tun? Mit dem Attentat? Mit dem Tod Ziemanns?«
Gisbert Brauer kaute auf einem trockenen Grashalm herum. »Ich folge Ihnen nicht, wenn Sie das beruhigt. Sie wissen, dass es meine Aufgabe ist, Informationen zu sammeln. Und ich glaube, Ziemann und ich haben auf die gleiche Weise gedacht. Da der Vietnamese, der die Bombe in Berlin hochgehen ließ, aus diesem Häuschen da oben stammt und noch niemand eine Erklärung dafür hat, wieso ausgerechnet er das tat, treffen wir beide hier zusammen. Das ist ziemlich einfach.«
Mann ließ sich ebenfalls im Gras nieder. »Ist Gisbert Brauer eigentlich Ihr richtiger Name oder ein Arbeitsname? Egal. Standen Sie schon vor Ziemanns Haus, als er noch lebte?«
Brauer lächelte ironisch. »Das musste kommen.
Obwohl meine prophetischen Gaben schlecht entwickelt sind. Nein. Als ich von seinem Tod erfuhr, dachte ich: Das muss ich mir ansehen. Ich bin erst nach Ihnen da aufgekreuzt.«
»Dann wissen Sie auch nicht, wer sein letzter Besucher war?«
»Nein, aber das interessiert mich natürlich auch. Ziemann war unbequem, er war vielen Leuten ein Dorn im Auge. Es gibt sogar bestimmte Staatsanwälte, die ihn gar nicht mochten. Wie geht es seiner Frau?«
»Sehr schlecht«, murmelte Mann. »Wie kommen Sie zu dem Schluss, dass er genau so dachte wie Sie?«
Brauer starrte in den Himmel und stellte fest: »Gleich wird es regnen. Wissen Sie, Ziemann war ein Berliner Kind. Er hat den Filz in dieser Stadt schon nicht gemocht, als Berlin noch eine Insel im kommunistischen Reich war. Und als die Bankgesellschaft immer mehr ins Gerede geriet und die ersten Staatsanwälte ermittelten, da sagte er zu mir: Weißt du, diese Staatsanwälte verlassen sich immer auf die Wirtschaftsprüfer und ihre Unterlagen. Sie bedenken aber nie, dass diese Unterlagen vollkommen falsch sein können.«
»Ach, Sie haben mit Ziemann
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