Die Ranch
besonders«, lautete seine verblüffende Antwort.
»Stimmt was nicht?«
Ausgerechnet
sie
stellte diese Frage? »Mit mir stimmt gar nichts mehr.« Er sank in einen Sessel, streckte die langen Beine aus, und sie setzte sich ihm gegenüber.
»Was ist passiert?« Sie nahm an, bei seinem Prozess wäre irgendetwas schief gelaufen, und das bedauerte sie, da er so viel Zeit und Mühe investiert hatte.
Traurig erwiderte er ihren Blick. In diesem Moment glich er einem verletzlichen kleinen Jungen. »Ich habe mein Leben vermasselt. Und deines auch.«
Welches Geständnis würde er ablegen? Eine Affäre, hier in London? Das würde alles Weitere erleichtern. Ein stichhaltiger Scheidungsgrund …»Was meinst du?«
»Das weißt du doch. Deshalb bist du hierher gekommen, nicht wahr? So dumm ich auch sein mag, inzwischen hab ich's begriffen. Und ich war verdammt dumm. Ein Jahr lang steckte ich den Kopf in den Sand und dachte, wenn ich dich ignoriere, würdest du irgendwann verschwinden, oder meine Gewissensqualen würden verfliegen, Todd würde zu neuem Leben erwachen, oder du würdest all die schrecklichen Dinge vergessen, die ich zu dir sagte. Nichts davon ist geschehen. Stattdessen wurde es immer schlimmer. Mit jedem Tag fühlte ich mich schrecklicher, und du fingst an, mich zu hassen. Das war vorauszusehen, nachdem ich mich so grauenhaft benommen habe, aber ich wollte es nicht wahrhaben. Nun, das alles wird dich nicht überraschen. Und nun bist du höflich genug, mich persönlich über deine Scheidungsabsichten zu informieren.« Der Verbrecher, der dem Henker half, die Guillotine zu errichten, und seine verdiente Strafe akzeptierte.
Plötzlich erschien ihr die Situation wieder viel problematischer. »Wo warst du das ganze Jahr? Warum hast du dich vor mir versteckt? Niemals hast du mit mir gesprochen oder Fragen beantwortet.« Wie ein Roboter hatte er neben ihr gelebt.
»Ich war unglücklich«, erklärte Bill, ein Meister der Untertreibung, und sie dachte an Hartley. »Was tun wir jetzt? Hast du die Scheidungspapiere mitgebracht?«
»Sollte ich das tun? Hast du das erwartet?« War er bereit, solche Dokumente zu unterzeichnen – zweiundzwanzig Ehejahre gleichmütig aufzugeben? »Nein, ich habe die Papiere nicht bei mir«, fügte sie erbost hinzu. »Am besten beauftragst du einen Anwalt, diese Dinge zu erledigen, oder du kümmerst dich selber darum. Großer Gott, ich kann doch nicht den ganzen Kram allein bewältigen! Ich kam nur hierher, um mit dir zu reden.«
»Oh …« Verwirrt runzelte er die Stirn und wünschte, er könnte alles ungeschehen machen. »Du bist mir sehr böse, Stu. Kein Wunder … In all den Monaten habe ich mich unmöglich benommen, und ich kann dir nicht einmal erklären, warum – nur dass ich nach Todds Tod völlig durcheinander war. Mein schlechtes Gewissen peinigte mich Tag und Nacht, und das ertrug ich nicht. Und so versuchte ich, dir die Schuld zu geben. Aber es gelang mir nicht. Ich habe nie bezweifelt, dass es
mein
Fehler war.«
»Wieso?«, fragte sie erstaunt. »Niemand muss sich Vorwürfe machen. Für uns alle war's schrecklich. Auch für Alyssa. Keiner von uns hat das verdient. Als ich seine Sachen wegräumte, war ich schrecklich wütend auf ihn. Seltsam -danach fühlte ich mich besser.«
Entgeistert starrte er sie an. »Du hast seine Sachen weggeräumt? Warum?«
»Weil es an der Zeit war. Ich packte alles ein und verschenkte seine Kleidung an Leute, die sie gebrauchen können. Ein Jahr lang dachte ich, wenn ich nichts in seinem Zimmer verändere, würde er zurückkommen, und schließlich begriff ich, dass das nicht geschehen würde.«
»Das wurde mir auch bewusst – hier in London.«
Nun versetzte sie ihm einen neuen Schock. »Ich möchte das Apartment verkaufen. Oder mach damit, was du willst. In dieser deprimierenden Atmosphäre kann ich nicht mehr leben. Inmitten so vieler qualvoller Erinnerungen würde ich mich nie erholen.« Sobald sie nach New York zurückgekehrt war, wollte sie sich eine andere Wohnung suchen. Oder sie würde zu Hartley ziehen.
»Kümmere dich nicht um das Apartment. Willst du mit
mir
leben? Nur das zählt.« Ihre Antwort nahm ihm den Atem, obwohl er damit gerechnet hatte.
»Nein. Nicht so wie im letzten Jahr. Nur so wie früher … Aber das ist vorbei.«
»Und wenn's wieder so wird wie früher?«
»Unmöglich.« Als sie aufblickte, sah sie Tränen in seinen Augen und empfand Mitgefühl. Letztes Jahr hatte sie oft geweint, jetzt waren die Tränen versiegt.
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