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Die Ratten

Die Ratten

Titel: Die Ratten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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den Männern unterschied. Mary Kelly war 48, sah aber zwanzig Jahre älter aus. Sie verfluchte die anderen, verfluchte sich selbst und vor allem Gott. Denselben Gott, den sie die Hälfte ihres Lebens in Irland angebetet hatte. Als Kind hatte sie oft dreimal am Sonntag die Messe besucht und während der Woche einmal jeden Tag. Mit 15 war sie sogar in ein Kloster gegangen, doch das ernste, einsame Leben hatte nicht zu ihrem lebhaften, wenn auch sehr religiösen Wesen gepaßt. Sie war in ihre Heimatstadt Longford zurückgekehrt, wo es ihr bald wegen ihrer angeborenen Lebenslust zu langweilig wurde. Ihr Priester hatte versucht, ihr auszureden, die
    Stadt zu verlassen, aber eines Tages bei der Beichte hatte sie ihm etwas bekannt, was ihn veranlaßt hatte, sich zu fragen, ob es nicht das beste für sie war, wenn sie fortzog. Selbstverständlich auch für die Jungen in der Stadt.
    Der alte Priester hatte sich gewundert, wie ein so tief religiöses Kind solch eine sündige Begierde auf Sex hatte entwickeln können. Er hatte sich schließlich gesagt, daß er eine größere Chance haben würde, ihre verirrte Seele zu retten, wenn Mary unter seiner Überwachung in der Stadt blieb. So hatte er ihre Eltern besucht und sie davon überzeugt, daß es besser war, wenn sie ihre Tochter bei sich behielten. Die Eltern mußten sechs andere, jüngere Kinder ernähren, und sie waren zunächst nicht sehr erpicht darauf, diesen zusätzlichen Esser zu behalten, aber natürlich hatte der Priester einen großen Einfluß auf seine Gemeindemitglieder. Am folgenden Samstag beichtete Mary jedoch eine noch größere Sünde, die diesmal seinen jungen, neu ernannten Priester betraf.
    Am Montag darauf verließ Mary die Stadt, sehr zur Erleichterung des alten Priesters, der nicht länger mit diesen verwirrenden Problemen fertig werden konnte. Der junge Priester Aloysius hatte die ganze Affäre auf direkte und ziemlich schroffe Befragung hin geleugnet, und der alte Priester war nur noch verwirrter gewesen. Gewiß, ein so junges und offenbar frommes Mädchen konnte niemals solche Lügen erfinden. Aber wenn sie gottesfürchtig war, wie ihre Vergangenheit zeigte, wie konnte sie dann so der fleischlichen Sünde verfallen sein? Seine einzige Antwort darauf war ein Gebet für ihre Seele und eine Messe, um Mary vor ewiger Verdammnis zu retten.
    Mary zog nach Dublin und fand einen Job als Barmädchen in einer Bar an der O'Connell Street. Während der Arbeitszeit lernte sie natürlich viele Männer kennen und widersetzte sich keinem Annäherungsversuch.
    Nach einer Weile wurde sie entlassen, nicht nur wegen ihres Rufs, sondern weil die Frau des Barbesitzers Mary und ihren Mann hinter den Fässern im Keller erwischt hatte. Die nächste Arbeitsstelle fand Marry in der Kantine einer örtlichen Brauerei, wo die Männer bald herausfanden, daß sie leicht zu haben war. Das einzige, was die Männer verwirrte und für viele Witze unter ihnen sorgte, war die Tatsache, daß Mary darauf bestand, drei Ave Maria zu beten, bevor sie mit ihnen ins Bett ging. Mary betete auf den Knien neben dem Bett, mit geschlossenen Augen und gefalteten Händen wie ein Kind. Die Männer hätten noch mehr gelacht, wenn sie den Grund für die Gebete gekannt hätten.
    Mit dem ersten Ave Maria erbat Mary, nicht schwanger zu werden, mit dem zweiten, sich keine Syphilis zu holen und mit dem dritten, daß sie einen Orgasmus haben würde. Sie hatte erst von ihren Freundinnen in der Kantine erfahren, was ein Orgasmus ist, und erkannt, daß ihr so etwas in all diesen Jahren entgangen war. Ihre Sehnsucht nach Sex war nie gestillt worden, und sie hatte immer mehr gesucht, ohne zu wissen, warum. Es war stets ein Genuß gewesen, aber jetzt wußte sie, daß es wunderbar sein kann, und sie war entschlossen, es zu erfahren. Sie besuchte immer noch jeden Sonntag die Messe und ging jeden ersten Freitag im Monat kommunizieren. Bald ging sie an zwei oder drei Abenden pro Woche zur Kirche, um den Rosenkranz für die Erreichung ihres sexuellen Ziels zu beten. Es kam ihr nie in den Sinn, daß daran irgend etwas falsch sein könnte. Gott hatte gewollt, daß die Leute Sex genießen, denn sonst hätte er ihnen dieses wundervolle Geschenk nicht gemacht. Als Kind hatte sie doch so oft heimlich ihren Eltern beim Liebesspiel zugeschaut, wenn Mary statt zu schlafen, wie die Eltern es glaubten, hellwach in dem einzigen gemeinsamen Schlafzimmer gelegen und ihr Stöhnen und glückliches Seufzen und den Aufschrei ihrer Mutter

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