Die Ratten
Kaffee, doch sie hatte den bitteren Geschmack von Kaffee noch nie gemocht. Schon als Kind hatte sie Tee getrunken, in ihrem Elternhaus war die Teekanne selten kalt geworden.
Paula blickte auf Karen hinab und überlegte, ob sie die Kleine einen Augenblick lang allein lassen konnte, während sie sich bei einer Nachbarin etwas Tee borgte. Ja, Karen war mit Shane beschäftigt und schaute jetzt zu, wie er sein Futter aus dem Napf schleckte. Sie würde nicht lange wegbleiben, und dem Baby konnte in den paar Sekunden nichts passieren.
Paula nahm eine Tasse aus dem Schrank, verließ schnell das Zimmer und ließ die Tür offen. Vielleicht bemerkte Karen nicht einmal, daß sie fortging.
Das Baby schaute glücklich zu, während der kleine Mischling sein Fressen hinunterschlang. Sie tunkte sogar eine Fingerspitze in das Futter und kostete davon, doch dann spuckte sie es aus, weil es nicht nach ihrem Geschmack war.
Plötzlich erstarrte der Hund. Das Fell auf seinem Rük-ken sträubte sich. Er knurrte etwas an, das sich auf der Türschwelle bewegte. Die Kellertür, die sich in der Diele neben der Küchentür befand, stand einen kleinen Spalt offen, und ein dunkler Umriß schob sich daraus hervor. Eine Ratte.
Shane sprang darauf zu, schnappte sie am Nacken und schüttelte sie heftig. Die Ratte stieß einen schrillen, quiekenden Laut aus. Sofort tauchte eine andere auf, sprang dem Hund an die Kehle und grub ihre rasiermesserscharfen Schneidezähne tief hinein. Der Hund drehte sich im Kreis, versuchte, die Ratte abzuschütteln, hielt dabei jedoch die erste Ratte immer noch fest. Dann sprang eine weitere Ratte auf den Rücken des Hundes, klammerte sich mit den klauenartigen Füßen fest, biß hart zu und zerfetzte sein Fell. Shane winselte vor Schmerz und Schock, während weitere schwarze Ratten in das Zimmer strömten.
Das Baby begann vor Entsetzen zu schreien, als es sah, daß ihr geliebter Spielgefährte von diesen stinkenden Kreaturen verletzt wurde.
Immer mehr Ratten kamen in die kleine Küche, aber das waren andere Tiere. Sie waren größer, bewegten sich vorsichtig und ignorierten den heftigen Kampf mit dem Hund. Sie sahen das schreiende Baby und den Napf mit
Hundefutter daneben. Schnüffelnd huschten sie darauf zu. Das Futter war sofort verschlungen. Dann wandten sie sich der kleinen Gestalt zu.
Der sterbende Hund schien die Gefahr zu spüren, die dem Kind drohte, und er sprang von den Angreifern fort. Drei Nagetiere klammerten sich noch immer an dem Hund fest. Er fiel auf eine gewaltige Ratte, die dem Baby bereits ins Bein biß. Shane warf das Monster mit seiner letzten Kraft hoch in die Luft und drehte sich den anderen zu. Der kleine Hund lebte noch ein paar Sekunden und kämpfte mit wilder Verzweiflung, und dann wurde sein Körper unter einer schwarzen, wogenden Masse in Stücke gerissen.
Als Paula Blakely in die Küche eilte, schrie sie vor Entsetzen und Panik. Sie konnte noch nicht begreifen, was sie sah. Sie nahm nur wahr, daß es in der Küche von pelzigen, dunklen Tieren wimmelte, die an etwas Blutigem zerrten. Und dann sah sie etwas Kleines, Weißes. Eine winzige Hand, die sich zitternd über die dunkle Masse erhob.
»Karen!« schrie sie.
Sie rannte in die Küche, trat um sich und schrie. In ihrer Panik entwickelte sie zusätzliche Kraft und Schnelligkeit. Sie packte den Arm und zog. Der kleine Körper tauchte auf, und zwei der Monster klammerten sich daran. Paula schlug nach ihnen, während sie zur Tür hetzte. Ihre Beine waren bereits blutig gebissen. Die beiden Ratten fielen zu Boden, nicht wegen der Schläge, sondern weil das weiche Fleisch des Kindes von dessen Körper abgerissen wurde.
Paula rannte mit ihrem toten Baby aus dem Haus und hielt schreiend den blutigen Körper an die Brust gepreßt.
Die Ratten fraßen den Rest des Hundes und huschten in den Keller zurück, die größeren zuerst.
4
Harris brachte Keogh ins London Hospital, damit die Verletzung des Jungen behandelt wurde. Er brauchte eine solche Gelegenheit, um eine bessere Beziehung zu seinem Schüler zu bekommen, und da er in der nächsten Stunde nicht zu unterrichten brauchte, entschloß er sich, den Jungen persönlich ins Krankenhaus zu bringen. Bereits auf dem Weg zum Krankenhaus wirkte Keogh seinem Lehrer gegenüber entspannter. Als sie dort eintrafen, mußten sie im Wartezimmer der Ambulanz warten.
»Nun, Keogh, wie ist es passiert?« fragte Harris.
»Ich war spät dran, und so nahm ich die Abkürzung beim Kanal«, antwortete
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