Die Ratten
mit hoch. Die andere Ratte war auf seinen Oberschenkel gesprungen, und Harris spürte, daß sie in das Material seines Schutzanzugs biß. Als Blut warm an seinem Bein hinablief, wußte er, daß die Ratte den schweren Stoff durchgebissen hatte. Das steigerte noch seinen Zorn und verlieh ihm zusätzliche Kraft - nicht die Kraft eines Wahnsinnigen, denn sein Verstand arbeitete kühl und berechnend, und er nahm den Schmerz nicht wahr -, sondern die Kraft eines Mannes, der sich weigerte, von einer niederen und ekelhaften Kreatur besiegt zu werden.
Er drehte sich, zog die Ratte in seinen Händen mit sich und ignorierte die andere an seinem Oberschenkel. Er hob das zappelnde Monster so hoch, wie er konnte, und schlug es mit aller Kraft gegen die Wand. Die Ratte stieß einen schrillen, quiekenden Laut aus, doch sie drehte und wand sich immer noch in seinem Griff. Er schmetterte sie von neuem gegen die Wand, und diesmal hörte er das Brechen von Knochen, als der dünne Schädel gegen den Beton prallte. Harris schleuderte die Ratte weit von sich; er wußte nicht, ob sie noch lebte.
Er bückte sich und zerrte an der Ratte, die an seinem Oberschenkel hing. Jetzt wurde der Schmerz unerträglich. Er schob seinen sich krümmenden Körper auf die tote Gestalt Foskins' zu. Dabei sank er auf die Knie und wurde vor Schmerz und Erschöpfung fast ohnmächtig, aber er kroch verzweifelt weiter, um an das Beil zu gelangen. Er konnte den Schmerz in seinem Bein fast nicht mehr aushalten. Mit letzter Kraft erreichte er die Leiche und brach daneben zusammen. Sein Gewicht preßte die Ratte zu Boden. Sie war gezwungen, ihn loszulassen, doch sie griff sofort von neuem an.
Harris rollte sich auf den Rücken, zog die Beine an und trat mit beiden Füßen zu. Er traf die Ratte mitten im Sprung, schleuderte sie quer durch den Raum und hatte Zeit, sich auf die Knie aufzustemmen.
Harris packte das Beil und zog es aus dem Kopf der toten Ratte. Zu seinem Entsetzen ließ sich der Griff nicht aus Foskins' starren Fingern lösen. Er umklammerte Foskins' Handgelenk mit seiner verletzten linken Hand und riß mit der rechten das Beil weg. Er schaffte es gerade noch rechtzeitig, zu der angreifenden schwarzen Bestie herumzufahren, von deren Zähnen Blut und Schaum tropften und deren Augen haßerfüllt funkelten. Harris schlug mit dem Beil zu und traf die Ratte mitten im Sprung. Sie landete bereits tot vor ihm, doch sie zuckte heftig. Er hatte ihr den Kopf abgeschlagen.
Harris sank hinab, und seine Stirn berührte fast den Boden. Dann nahm er ein Geräusch wahr, das ihn wieder zur Besinnung brachte. Er schaute auf und sah die andere Ratte, diejenige, die er gegen die Wand geschmettert und dann von sich geschleudert hatte. Sie schleppte sich ihm entgegen. Sie war schwer verletzt, fast tot, doch sie hatte immer noch die Kraft, sich auf ihn zu zu bewegen, wobei sie eine Blutspur hinterließ.
Er kroch ihr entgegen. Die Ratte hob den Kopf und entblößte die Zähne. Ein Laut wie ein dumpfes Zischen kam aus ihrer Kehle. Harris sah, daß ihr Rückgrat gebrochen war, doch sie kam immer noch näher, entschlossen, ihn zu vernichten.
Als sie noch etwa einen halben Meter voneinander entfernt waren, stemmte sich Harris auf die Knie und hob das Beil mit beiden Händen hoch über den Kopf. Die Ratte zitterte, als sie Kraft zu einem Sprung sammelte, den sie nicht mehr ausführen konnte. Der Lehrer schlug mit dem Beil zu und tötete die Ratte.
Dann brach er zusammen.
Er wußte nicht, wie lange er dort gelegen hatte. Es konnten fünf Minuten oder fünf Stunden gewesen sein. Er zog den einen Handschuh aus und schaute auf seine Armbanduhr. Es war unmöglich, die Zeit seiner Bewußtlosigkeit genau abzuschätzen, denn er wußte nicht, wie lange die schrecklichen Ereignisse vor seinem Zusammenbruch gedauert hatten. Der Schmerz in seiner Hand war jetzt unerträglich und viel stärker als das Pochen in seinem Oberschenkel. Sein ganzer Körper tat ihm weh, und seine Wange war blutig. Er spürte ein scharfes Brennen am Ohr, tastete mit der unversehrten Hand hin und stellte entsetzt fest, daß sein Ohrläppchen fehlte.
»Mein Gott«, murmelte er. Aber er lebte, und tiefe Erleichterung erfüllte ihn. Die Spritzen, die ich bekommen habe, schützen vor der Krankheit, beruhigte er sich. Ich brauche jetzt nur noch aus diesem verdammten Keller zu verschwinden.
Er setzte sich auf und streifte dabei mit der Hand Fos-kins' Leiche. Armer Kerl, dachte er. Er muß wie ein Verrückter gekämpft
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