Die Raumfalle (Orion 06)
Wir haben einen Gast.«
Tamara merkte, wie die anderen sie anstarrten und lächelte; sie lehnte wieder an der schrägen Verstrebung, ihrem Lieblingsplatz.
»Nein«, sagte sie, »Commander McLane würde mich sicher nicht als Gast bezeichnen, nicht wahr?«
Cliffs Gewissen war in bezug auf Tamara Jagellovsk nicht das reinste. Er entsann sich gewisser Vorkommnisse auf Chroma nur widerwillig und selten.
»Dann hätte ich gesagt: ›Ein ganz besonders lieber Gast!‹ – aber Sie gehören ja zu der ORION wie die Maschinen und die Sichtschirme, liebste Tamara«, erwiderte er.
Hasso fragte mit lauter Stimme aus dem Maschinenraum:
»Los, Commander – wer ist unser Gast?«
Cliff breitete in einer hilflosen Gebärde seine Arme aus und sagte:
»Pieter-Paul Ibsen!«
Völlig entgeistert flüsterte Atan Shubashi, der schwarzhaarige Astrogator:
»Das kann nicht dein Ernst sein, Cliff!«
»Meiner nicht – der Ernst des Oberkommandierenden!« entschuldigte sich der Commander.
»Ein Witz, und zwar kein guter.«
Mario schlug wütend mit seinem Zeigefinger einen hochschnellenden Hebel des Eingabeelements nieder. »Ein Literatenwitz!« sagte er scharf.
Achselzuckend erwiderte Cliff McLane:
»Hat je einer von euch erlebt, daß der Oberkommandierende einen Witz macht? Freunde – das ist brutaler Ernst. Wir haben die Ehre, mit einem Utopia-Preisträger an Bord zu fliegen.«
»Huch!« meinte Helga Legrelle, »dann trägt er sicher eine Clubjacke mit einem Wappen darauf?«
»So geschmacklos wird er doch nicht sein!« mutmaßte Atan Shubashi.
Mario de Monti, der breitschultrige Erste Offizier mit dem phlegmatischen Gesicht, meinte zu Cliff:
»Uns bleibt aber wirklich nichts erspart.«
McLane zog es vor, keine Antwort zu geben.
»Pie-Po!« schnaufte Atan Shubashi aufgeregt. »Ich sage euch: Er ist der Mann mit dem abwegigsten Vorstellungsvermögen unserer Generation. In seinen Romanen beherrschen die Menschen den Raum-Zeit-Sprung, den Transmitter, die Kenntnis von ungeheuren Mengen fremder Rassen und Schiffe, die größer sind als ehemalige terranische Fürstentümer! Mit sowas sollen wir unsere kosmischen Tage verbringen!«
Aufgescheucht von den alarmierenden Nachrichten kam Hasso Sigbjörnson aus dem Maschinenraum herauf, schob die Lifttür wieder zu und blieb vor Cliff stehen.
»Eines ist sicher«, sagte er knurrend, »wenn der Mensch versuchen sollte, meinen Maschinenraum zu betreten, stelle ich mich mit gezogener HM 4 vor mein Schaltpult.«
In das entstehende Schweigen hinein sagte Helga Legrelle, die Funkerin der ORION:
»Nun wartet doch erst einmal ab – vielleicht ist er ganz nett ...?«
Atan Shubashi kicherte sarkastisch auf.
»Ganz nett! Seit dem ersten Buch Moses hat es keinen ›ganz netten‹ Literaten gegeben. Das nenne ich reinen Optimismus! Ein Zukunftsdichter!«
»Ich finde das auch etwas merkwürdig«, sagte Tamara. »Man hätte zumindest den Sicherheitsdienst verständigen müssen!«
»Wenn das alles ist, was Sie daran stört, dann frage ich mich ...«, begann de Monti aufgebracht, aber Cliff winkte ab.
»Leute«, sagte er. »Wir haben den Mann an Bord genommen, um Wamsler eine peinliche Situation zu ersparen. Seid bitte so nett wie möglich zu ihm. Mich aber stört etwas anderes.«
»Ja?« fragte Hasso hoffnungsvoll.
Statt einer Antwort sah Cliff auf das Bordchronometer.
»Startzeit minus vier Minuten«, sagte er dann. »Wir starten pünktlich. Sollte Ibsen in zweihundertvierzig Sekunden nicht an Bord sein, hat er den Anschluß verpaßt.«
De Monti warf ein:
»Sein Gepäck ist bereits in seiner Kabine.«
»Um so schlimmer!« stellte Cliff ungerührt fest. »Eine feine Art, sich einzuführen. Wir warten noch etwas.«
2
»Bist du mit dem Komputer soweit, Mario?« fragte er drei Minuten später.
Mario trat von dem eiförmigen Eingabeelement zurück und nickte.
»Die erste Anflugphase ist programmiert.«
Hasso Sigbjörnson lehnte neben Helga am Funkpult und sah sich nachdenklich in der Kommandokanzel um.
»Dann nichts wie los, Cliff. Worauf warten wir noch?«
Cliff sah wieder auf die Uhr. Noch eine Minute.
»Wir starten zur vorgesehenen Zeit. Ich möchte mir nicht nachsagen lassen, daß wir die Aktion ›Literatur im Weltall‹ sabotiert hätten. Und wenn dann der große Dichter nicht da ist, starten wir ohne ihn.«
Shubashi lachte auf.
»Vielleicht reimt er noch.«
»Keine Sorge, Astrogator Shubashi«, sagte eine fremde Stimme. »Er ist gerade fertig geworden
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