Die Rebellen von Irland
Aber noch war niemand gekommen und hatte ihn behelligt, und in ihm keimte die Hoffnung, dass es so bleiben möge.
Eines frühen Nachmittags, als Mary und das Kind schliefen und er selbst gerade mit dem kleinen Daniel spielte, erschien Doyle. Die große, stämmige Gestalt seines Cousins füllte die Tür, als er in die Diele trat. Ungeduldig warf er seinen Umhang auf eine Bank und rückte sogleich mit der schlechten Neuigkeit heraus.
»Morgen fällen sie das Urteil über Sie. Ich weiß es von Tidy, dem Küster, und der hat es natürlich von Pincher. Sie werden für vogelfrei erklärt.«
»Für vogelfrei erklärt?« Dies war eine alte Strafe aus dem mittelalterlichen England, und eine niederträchtige obendrein. Ein Vogelfreier genoss keinerlei Schutz des Gesetzes mehr. Jedermann konnte ihn ausrauben oder töten, ohne dafür bestraft zu werden. Ein Vogelfreier konnte nur um sein Leben rennen oder sich stellen. Auf diese Weise trieb die Obrigkeit ihre Feinde in die Selbstzerstörung.
»Sie sind nicht der Einzige. Die Hälfte der Männer, die sich an dem Aufstand beteiligt haben, wurden für vogelfrei erklärt. Einige sind, wie Sie wissen, bereits außer Landes geflohen. Das Gut wird selbstverständlich eingezogen. Sie müssen zusehen, dass Sie möglichst viele Wertsachen Sicherheit bringen.«
»Aber ich habe mich nie an dem Aufstand beteiligt«, protestierte Orlando. »Ich weiß. Aber Ihr Bruder ist Jesuit, und er ist verschwunden. Sie sind Katholik. Sie sind nicht nach Dublin gekommen …« Doyle schüttelte zornig den Kopf. »Ich habe mich für Sie eingesetzt und geglaubt, ich hätte sie von Ihrer Unschuld überzeugt. Aber ich habe Pincher unterschätzt. Der Mann hat überall seine Spione. Wie es scheint, hatten Sie Besuch von O’Byrne, der es mit den Rebellen hält, und zwar ausgerechnet zu der Zeit, als Sie in Dublin sein sollten. Pincher hatte draußen in Swords einen Spion, der ihm bis zu Ihrem Haus gefolgt ist. Wer der Spion war, konnte ich nicht in Erfahrung bringen, aber das ist auch ohne Belang. Die Sache wurde den Lord Justices gemeldet, die jeden Katholiken enteignen, wenn es irgend geht. Die Leute in der Burg nehmen es mit dem Gesetz gegenwärtig nicht besonders genau. Pinchers Anschuldigungen haben ihnen genügt.« Er machte eine Pause. »Kennen Sie die Männer, die sich Ormond ergeben haben?«
»Ja.« Orlando dachte an den Gentleman aus Swords.
»Wissen Sie«, fuhr Doyle fort, »was die Justices getan haben, als Ormond sie nach Dublin geschickt hat? Sie haben einen von ihnen auf die Folter gestreckt.« Aus Abscheu vor der grausamen Tortur schüttelte er abermals den Kopf. »Sie sind auf Blut aus.«
»Aber wenn sie das Gut einziehen, bin ich so gut wie ruiniert«, rief Orlando bestürzt. »Was soll ich nur tun?«
»Wenn Sie ins Ausland oder zu den Rebellen fliehen, ist das gleichbedeutend mit einem Schuldeingeständnis. Wenn Sie hierbleiben, wird man Sie verhaften. Ich werde versuchen, die Männer in der Burg umzustimmen, und selbstverständlich werde ich mich um Mary und die Kinder kümmern, aber bis auf weiteres sollten Sie sich verstecken.« Er sah Orlando nachdenklich an. »Kennen Sie einen geeigneten Platz?«
***
In der Ferne stieg immer noch Rauch empor, als die Soldaten, mehrere hundert an der Zahl, auftauchten. Es war ein milder Märztag.
Mary Walsh wartete, das Baby im Arm und den kleinen Daniel an ihrer Seite, in der Haustür, als die Kavalkade von Offizieren an ihrer Spitze heranpreschte.
Mary hatte gewusst, dass sie kommen würden, und sich in einem langen Gespräch mit Orlando in dessen Versteck sorgfältig darauf vorbereitet. Die Soldaten boten einen Furcht erregenden Anblick, und es wäre ihr wohl noch schwerer gefallen, ihre Angst zu verbergen, hätte sie unter den Reitern nicht die unverwechselbare Gestalt des Mannes entdeckt, die zu erblicken sie gehofft hatte.
James Butler, zwölfter Earl of Ormond, war ein wohl gebauter Mann mit einem breiten, intelligenten Gesicht. Er war erst zweiunddreißig Jahre alt, aber von so hoher Geburt und so reich, dass ihm sein Kommando offenbar eine leichte Bürde war. Er stieg ab, trat höflich auf Mary zu und fragte nach ihrem Mann.
»Er ist nicht hier, Lord Ormond«, antwortete sie ebenso höflich.
Seine Augen ruhten auf ihr.
»Ist Ihnen bekannt, dass er verhaftet werden soll?«
»Ich habe es gehört, Mylord. Allerdings kenne ich nicht den Grund, denn er ist loyal. Aber vielleicht«, setzte sie trocken hinzu, »wissen die Justices
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