Die Rebellen von Irland
Haus auf. Sie waren Tagelöhner, allerdings nicht aus der Gegend. Orlando behandelte sie höflich, obwohl sie ihm nicht gefielen. Ihr Anführer behauptete, er sei Mönch und gehöre einem Franziskanerorden an. Orlando zweifelte an der Wahrheit dieser Behauptung, hielt es aber für ratsamer, nicht zu widersprechen, sondern fragte nur, was sie zu ihm führe. Der Mönch antwortete, dass sie für den Fall, dass O’Neills Armee hier durchkäme, Unterbringungs- und Verpflegungsmöglichkeiten erkundeten. Das war nun mit ziemlicher Sicherheit gelogen. Dennoch führte Orlando sie ins Haus, gab ihnen zu essen und betete im Stillen, dass sie nicht zu bleiben gedachten. Zum Glück beschlossen sie, weiterzuziehen. Nach Auskunft des angeblichen Mönchs wollten sie nach Norden in die Gegend hinter Swords. Als sie aufbrachen, hörte er einen der Fremden sagen: »Wenn wir auf Protestanten stoßen, ziehen wir ihnen die Hälse lang.«
Nach diesem Besuch blieb alles ruhig.
***
Der Liffey bot einen seltenen Anblick. Große Eisschollen bedeckten fast den ganzen Fluss, dessen Oberfläche in der Sonne glitzerte. Kinder schlitterten an den Ufern, und der geschäftstüchtige Besitzer eines Pferdeschlittens bot Fahrten an, die stromaufwärts am Ufer entlangführten.
Es war der erste Januar 1642. Zumindest unter den Protestanten herrschte Feststimmung. Tags zuvor waren Ormond und seine gut gedrillten Soldaten über die Brücke in die vereiste Ebene von Fingal hinausmarschiert. Bei Swords waren sie auf die schlecht ausgebildete Brigade gestoßen, die der örtliche katholische Landadel aufgeboten hatte, und hatten sie nach einem kurzen Geplänkel geschlagen. Am Abend läutete Tidy zur Feier des Sieges die große Glocke von Christ Church, und Doktor Pincher ging auf die Straße und predigte den Dubliner Protestanten, dass sie in Anbetracht dieses Beweises, dass Gott auf ihrer Seite sei, neuen Mut schöpfen könnten.
Maurice stand schon geraume Zeit auf der Brücke, als er die Reiter bemerkte. Es waren fünf Gestalten, alle dick eingemummt gegen die Kälte. Als sie näher kamen, sah er, dass ihre bedeckten Köpfe mit einer Eiskruste überzogen waren, was darauf hindeutete, dass ein langer Ritt im Schnee hinter ihnen lag. Auf der Brücke angekommen, ließen sie ihre Pferde in Schritt fallen, und als sie an ihm vorbeiritten, bemerkte er, dass der Reiter in der Mitte eine Frau war. Ihr Gesicht war halb eingehüllt, aber es kam ihm bekannt vor. Bei seinem Anblick schien sie zusammenzuzucken, aber sie war bereits vorbei, als ihm endlich dämmerte, dass es Elena war.
Ihr Großvater war augenscheinlich nicht unter den Reitern, und so rief er: »Elena!«
Doch nach kurzem Zögern zügelte sie ihr Pferd, und ihre Begleiter folgten ihrem Beispiel. Aufgeregt lief er zu ihr.
Während sie sich umdrehte, wickelte sie den schwarzen Schal ab, der die untere Hälfte ihres Gesichtes bedeckt hatte. Sie sah seltsam blass und abgespannt aus, als wäre sie plötzlich gealtert. Mit eisiger Miene blickte sie auf ihn herunter und sagte nichts.
»Dann hat dein Großvater also seine Meinung geändert«, sagte er und lächelte. Ihr Gesicht blieb unbewegt. »Ich meine, du bist in Dublin.« Er hielt inne, verstummte.
»Mein Großvater ist tot.« Ihre Stimme klang kalt, als spreche sie mit einem Fremden.
»Tot?«
»Ja. Tot. Ein paar von euren Freunden kamen«, sagte sie bitter. »Ein Priester war ihr Anführer.«
»Ein Priester?«
»Priester, Mönch.« Sie zuckte verächtlich die Schultern. »Was macht das für einen Unterschied? Von einem eurer gottlosen Orden. Sie kamen, um zu plündern. Sie nahmen mir sogar das Medaillon meiner Mutter. Sie rissen es mir vom Hals. Mein Großvater protestierte, da erschlugen sie ihn. Vor meinen Augen. Ich kann von Glück sagen, dass sie nicht auch mich umgebracht haben. Oder mir noch Schlimmeres angetan haben.«
»Das ist … furchtbar.« Er erinnerte sich, wie er ihr versichert hatte, sie sei nicht in Gefahr, und alles Blut wich aus seinem Gesicht.
»Ja. Es ist furchtbar.« Er hörte den Schmerz in ihrer Stimme, aber in ihren Augen sah er nur Wut und Verachtung. Er starrte sie hilflos an. Sie erschien ihm wie ein anderer Mensch. Das sinnliche Mädchen, das er gekannt hatte, war verschwunden. Da war nichts mehr, was an ihr früheres Wesen erinnerte. An ihre Stelle war eine junge Frau getreten, die ihn voller Abscheu ansah. »Es stimmt, was man sagt«, fuhr sie mit kalter Wut fort. »Ihr Katholiken seid nicht einfach nur gottlos.
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