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Die Rebellen von Irland

Die Rebellen von Irland

Titel: Die Rebellen von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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sagen?« Er seufzte. »Nichts ist gewiss. Ich weiß kaum, von wem ich nächsten Monat meine Befehle erhalten werde. Wir müssen von Tag zu Tag schauen.« Er sah sie lange an. »Suchen Sie morgen Ihren Mann auf, Madam.«
    Sie nickte. Er machte eine kurze Verbeugung, und bevor sie dazu kam, sich mit einem Knicks zu revanchieren, war er fort.
    ***
    Leichter Nebel lag über dem Meer, als Mary am nächsten Morgen in aller Frühe zum Strand hinunterging. Orlando, der sich seit drei Wochen drüben auf der kleinen Insel mit der Felsspalte in der Klippe versteckte, bemerkte sie nicht sogleich. Erst als die Strahlen der aufgehenden Sonne sich über das Meer ergossen und bis zur Küste vordrangen, sah er sie am Strand stehen und winken. Er schob ein Boot ins Wasser und ruderte, die Sonne im Rücken, zu ihr.
    ***
    Doktor Pincher starrte auf den Brief. Er war noch immer verblüfft.
    Der April 1642 war kein ermutigender Monat gewesen. In England war das Zerwürfnis zwischen dem König und dem Parlament inzwischen so groß, dass ein Bürgerkrieg drohte. Hier in Irland weitete sich der Aufstand sogar aus, obwohl Ormond rings um Dublin gute Arbeit geleistet hatte. Führer der altenglischen und irischen Gentry mit alten Namen wie Barry und MacCarthy griffen unten in Munster und andernorts zu den Waffen. Selbst Ormonds katholischer Onkel hatte sich den Rebellen angeschlossen. Noch beunruhigender war das hartnäckige Gerücht, demzufolge der berühmte General Owen Roe O’Neill sich endlich bereitgefunden habe, nach Irland zu kommen und das Kommando über die katholischen Truppen zu übernehmen.
    Doch all diese Entwicklungen traten in den Hintergrund, als Pincher den Brief nochmals las.
    Seine Schwester war verstorben. Er war ehrlich genug, zuzugeben, dass er darüber nicht besonders traurig war. Seit fünfundvierzig Jahren hatte er kein freundliches Wort von ihr erhalten, und wenn er auch darauf vertraute, dass sie in den Himmel und nicht in die Hölle kam, so ertappte er sich doch bei dem Gedanken, die himmlischen Gefilde seien hoffentlich so groß, dass künftige Begegnungen eher die Ausnahme blieben.
    Der Prediger musterte die Handschrift. Sie war kraftvoll und männlich. Der Stil war nicht gebildet, vielleicht nicht einmal elegant, eher der eines einfachen, frommen Gentlemans. Zu diesem Ergebnis gelangte Pincher jedenfalls nach der dritten Lektüre. Doch die religiöse Überzeugung des Schreibers war über jeden Verdacht erhaben: offensichtlich ein äußerst gottesfürchtiger Mann.
    Dies also war sein Neffe, Barnaby Budge.
    Simeon Pincher konnte nicht umhin, sich zu fragen, ob mit dem Heimgang seiner Schwester nicht vielleicht ein unsichtbares Hindernis wegfiel, das einer engeren familiären Beziehung lange im Wege gestanden hatte. Er hielt es durchaus für denkbar, dass sein Neffe bei näherer Bekanntschaft sogar Zuneigung zu ihm fasste. Immerhin war Barnaby sein Erbe.
    Trotz seiner Jahre war Doktor Pincher bereit, eine weitere Seereise auf sich zu nehmen, um seinen Neffen zu besuchen. Doch wie es schien, war das wohl gar nicht nötig. Denn am Schluss des Briefes verlieh Barnaby seiner Hoffnung Ausdruck, in Bälde nach Irland zu kommen – vielleicht sogar, um hier zu leben. »Im Vertrauen auf Gottes Vorsehung«, schrieb er, »habe ich mir die Sache des Parlaments zu eigen gemacht und fünfhundert Pfund investiert.«
    Erst einen Monat zuvor hatte das englische Parlament, das für Ormonds Truppen in Irland und eine mögliche bewaffnete Auseinandersetzung mit der Krone zu Hause Geld brauchte, eine neue Idee ausgebrütet, wie sich aus Irland Kapital schlagen ließ. Besiedelung und Kolonisierung waren bereits versucht worden: Irische Clanführer hatten aufbegehrt und so die Voraussetzung dafür geschaffen, dass Anhänger der Regierung ihr Land zu herabgesetzten Preisen kaufen konnten. Aber der Act for Adventurers vom März 1642 war ein neuer Höhepunkt englischer Findigkeit.
    Denn nun lud das englische Parlament alle guten Protestanten dazu ein: »Gebt uns heute bares Geld, und zu gegebener Zeit bekommt Ihr dafür irisches Land.« Das versprochene Land stand zwar noch nicht zur Verfügung, sollte aber im Lauf der Zeit von denen, die aufbegehrten, eingezogen werden. Auf diese Weise hoffte das englische Parlament eine Million Pfund zusammenzubekommen, eine gewaltige Summe. Pincher hatte den Plan einer genauen Prüfung unterzogen und dabei errechnet, dass man nicht weniger als zweieinhalb Millionen Morgen Land benötigte, also fast ein

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