Die Rebellen von Irland
Zunächst hatte er dem Jungen und seiner Mutter in der Gemeinde St. Michan auf dem Nordufer des Liffey eine Unterkunft besorgt, die zwar bescheiden, aber sauberer als ihre vorherige war. Dann hatte Terence dem Priester der Gemeinde das Versprechen abgenommen, dem Jungen eine ordentliche Schulausbildung angedeihen zu lassen. Schließlich, vor ein paar Jahren, hatte er die notwendigen Zahlungen geleistet, damit Garret Smith bei einem angesehenen Krämer in der Gemeinde eine Lehre antreten konnte. Und mindestens einmal im Monat lud er den jungen Mann in sein behagliches Heim zum Essen mit seiner Frau und seinen Kindern ein, woran er die Hoffnung knüpfte, dass Garret zu gegebener Zeit, wenn er beruflich Fuß gefasst und eine anständige Frau gefunden hatte, einen ähnlichen, wenn auch bescheideneren Weg einschlug. Kurzum, er hatte alles getan, was man von einem wohlmeinenden Mitglied der Familie Walsh erwarten konnte.
Es war schwer zu sagen, wann der Ärger begonnen hatte. Er hatte Garrets Schwierigkeiten oder Aufmüpfigkeiten lange nicht allzu ernst genommen. »Das sind nur Dummejungenstreiche«, hatte er immer nachsichtig gemeint. Bedenklicher wurde es, als seine Frau den Jungen eines Tages dabei ertappte, wie er ihren Kindern jakobitische Ideen einflößte.
»Ich werde nicht zulassen, dass er dergleichen Ärger in unser Haus bringt«, beschwerte sie sich bei ihrem Mann. Und Terence durfte ihn erst wieder zum Essen mitbringen, als er ihr nach langem Hin und Her versprochen hatte, Garret mit den Kindern nicht mehr alleine zu lassen. »Solange du in Frankreich bist«, hatte sie erklärt, »kommt er mir nicht ins Haus.«
Im vergangenen Jahr waren auch von seinem Meister, dem Krämer, Klagen gekommen. Terence hatte dem guten Mann geraten, Garret unter strenger Zucht zu halten.
»Ich muss gestehen, dass ich besorgt bin«, sagte er jetzt zu Fortunatus. »Ich werde einen Monat fort sein, und es ist eigentlich niemand da, der ein Auge auf ihn hat oder eingreift, falls es Ärger gibt. Aber ich fürchte, ich nütze deine Gutmütigkeit aus, wenn ich mich an dich wende.«
»Der junge Mann ist ebenso mein Verwandter wie deiner«, betonte sein Bruder. »Es war wahrscheinlich ein Fehler von mir, dass ich bisher nichts für ihn getan habe.« Er lächelte. »Ich bin mir sicher, dass ich mit ihm fertig werde.« Fortunatus bildete sich etwas darauf ein, dass er mit Menschen umgehen konnte.
»Dann kann ich seinem Meister und dem Priester also sagen, dass du mich in meiner Abwesenheit vertreten wirst?«, fragte Terence mit großer Erleichterung.
»Ich werde die beiden Gentlemen persönlich aufsuchen. Du kannst also ganz beruhigt sein.« Fortunatus legte seinem Bruder die Hand auf die Schulter. »Und nun«, fuhr er vergnügt fort, »wollen wir uns das Dinner mit unseren Logenbrüdern in dieser ausgezeichneten Taverne in der Bride Street schmecken lassen. Und da ich die Absicht habe, mir mindestens drei Flaschen Rotwein zu Gemüte zu führen, erwarte ich, dass du mich anschließend nach Hause bringst.«
* **
Die Sonne stand bereits hoch, als das Stubenmädchen am nächsten Mor gen die langen Vorhänge aufzog. Fortunatus blinzelte, denn das Sonnenlicht schmerzte in den Augen.
»Würdest du sie um Himmels willen wieder schließen?«, stöhnte er heiser. Seine Kehle war eine Wüste, sein Kopf eine Schmerzenshöhle. »Zu viel Rotwein«, sagte er zittrig zu dem Mädchen.
»Wir hörten Euer Gnaden singen, als Ihr Bruder Sie letzte Nacht nach Hause brachte«, antwortete sie liebenswürdig. »Sie haben Besuch, Sir«, fuhr sie fort. »Er wartet unten.«
»Besuch? Schick ihn fort.«
»Das geht nicht, Sir. Es ist Mrs Doyle.«
***
Sie erwartete ihn im vorderen Salon. Wie in jedem Haus am St. Stephen’s Green waren die Haupträume sehr groß, und wie in den meisten irischen Häusern waren sie spärlich möbliert. Der Wandteppich an der einen und das dunkle, von ungeschickter Hand gemalte kleine Porträt seines Vaters an der anderen Wand trugen wenig dazu bei, dem Raum, den man sonst für ein nobles Vorzimmer oder ein öffentliches römisches Mausoleum hätte halten können, einen Hauch Gemütlichkeit zu verleihen.
Sie gab keinen Kommentar zu seinem übernächtigten Aussehen ab, während er sie aus hohlen Augen ansah und sich fragte, warum ihn seine Cousine Barbara selbst an seinen besten Tagen nervös machte.
Beinahe zweihundert Jahre war es mittlerweile her, dass sein Vorfahr Richard die Doyle-Erbin geheiratet hatte. Wie viele
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