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Die Rebellen von Irland

Die Rebellen von Irland

Titel: Die Rebellen von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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liebenswürdige Autorität, die den Patienten Vertrauen einflößte. »Es ist sogar möglich«, räumte sein Bruder ein, »dass du deinen Patienten Gutes tust.« Aber vor allem war Doktor Terence Walsh ein Gentleman. Darin war sich das ganze vornehme Dublin einig. Dass er selbst Katholik und die meisten seiner Patienten Protestanten waren, störte niemanden. Ältere Damen ließen ihn an ihr Bett rufen, Aristokraten, die das Bedürfnis hatten, bei einem Glas Rotwein über ein peinliches Leiden zu sprechen, spürten, dass er ein diskretes und vertrauenswürdiges Mitglied der Gesellschaft war. Innerhalb von drei Jahren hatte er genug Patienten. Und da er ein rechtschaffener Mann war, nahm er sich auch Zeit für die armen Leute, die in der Nähe wohnten, und behandelte sie unentgeltlich.
    Die Familie hatte ihm auch anderweitig geholfen. Sein Vater hatte ihm direkt nichts hinterlassen dürfen, aber über Treuhänder aus der Familie war es ein Leichtes gewesen, ihm die Nutzung und Rendite eines kleinen Landguts draußen in Kildare zu überlassen. Andere Familien aus ihrem Bekanntenkreis hatten das Gleiche getan. Falls die Behörden in Dublin Castle wussten, dass das Gesetz heimlich umgangen wurde, so erhoben sie doch keine Einwände. Und letztes Jahr hatte Fortunatus einen neuen Weg gefunden, wie er seinem Bruder helfen konnte.
    »Terence«, sagte er, »du wirst Freimaurer.«
    Handwerkszünfte von Maurern gab es bereits seit dem Mittelalter. Doch irgendwann nach 1600 und aus Gründen, die nicht bekannt sind, hatten einige Gentlemen in Schottland beschlossen, eine so genannte Freimaurerloge zu gründen, die auf die Rituale und »Mysterien« der mittelalterlichen Zünfte zurückgriff, sich aber nicht dem Bauwesen, sondern allgemein guten Werken widmete. Ganz allmählich hatte diese neue Freimaurerei, die sich die Form einer geselligen Geheimgesellschaft gab, auch in England und Irland Fuß gefasst. Doch erst in den letzten zwei Jahrzehnten war sie plötzlich in Mode gekommen, und Fortunatus Walsh war der vornehmsten Dubliner Loge beigetreten.
    »Wir müssen auch dich hineinbringen, Terence«, hatte er erklärt. »Die Freimaurer machen keine religiösen Unterschiede. Dass du Katholik bist, ist kein Hindernis. Und beruflich wird es dir von Nutzen sein.«
    Tatsächlich waren sie am heutigen Abend auf dem Weg zu einer Zusammenkunft der Logenbrüder.
    Da Terence von seiner Familie so viel Unterstützung erfahren hatte, war es ebenso natürlich wie löblich, dass er nun seinerseits einem Verwandten helfen wollte.
    Wie etwa dem jungen Garret Smith.
    Wäre der alte Maurice Smith nicht in der Schlacht am Boyne gefallen, wäre es seinen Nachkommen möglicherweise weniger schlecht ergangen. Denn in König Wilhelms Vertrag von Limerick war jenem Teil von Jakobs Armee, der sich ergeben hatte, Straffreiheit garantiert worden. Doch für die anderen, die zuvor am Boyne gefallen waren, galt dies nicht. Die Obrigkeit betrachtete sie als Rebellen und konfiszierte ihre Ländereien. Die Smiths waren ruiniert, als alles vorbei war.
    Fortunatus erinnerte sich noch sehr gut an die Familie zu jener Zeit. Maurices Sohn, Thomas, hatte alles mit Gleichmut ertragen, doch sein Enkel Michael, der nur ein paar Jahre jünger war als er selbst, hatte mit seinem Schicksal gehadert und sich verbittert in sich zurückgezogen. Die Walshs taten alles Menschenmögliche, um ihnen zu helfen. Immerhin, so erinnerte sich Fortunatus, war der alte Maurice ein Cousin ersten Grades seines Vaters. Aber Thomas war gestorben, Michael blieb voller Groll, und die beiden Familien lebten sich auseinander. Michael Smith hielt am heroischen Bild von der Rolle seiner Familie und der Person König Jakobs fest und glaubte fest daran, dass der Stuart-König oder sein Sohn eines Tages zurückkehren und Irland den Katholizismus zurückbringen würde.
    Die jakobitische Sache, wie man diese Sehnsucht nach den Stuarts nannte, war keineswegs völlig illusorisch. Als der unpopuläre Georg I., der deutsche Monarch aus dem Hause Hannover, den Thron bestieg, hätten viele lieber den Sohn König Jakobs an seiner Stelle gesehen. Es kam sogar zu vereinzelten Aufständen. Allerdings verliefen sie bald im Sand, und in Irland rebellierte niemand für den Thronprätendenten der Stuarts. Bald danach ergab sich Michael Smith in seiner Enttäuschung dem Trunk. Zwei Jahre später starb er völlig mittellos.
    Aber er hinterließ einen Sohn. Und diesem Garret Smith wollte Terence Walsh unbedingt helfen.

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