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Die Rebellen von Irland

Die Rebellen von Irland

Titel: Die Rebellen von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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auf die irische See. Die Hedge School war natürlich verboten, weil die Unterrichtung katholischer Kinder verboten war. Dennoch gab es im ganzen Land Hunderte solcher Schulen.
    Kurz nach seinem Besuch in Quilca vor beinahe zwanzig Jahren war O’Toole Lehrer der Hedge School in Rathconan geworden. Er galt als guter, wenn auch nicht als sehr guter Lehrer. Denn er verfügte zwar über exzellente Kenntnisse in den klassischen Sprachen, im Englischen und in den Fächern Geschichte und Geographie, doch in der Philosophie war er nur mäßig beschlagen, und sein mathematisches Wissen war nur ausreichend. Dabei war es vor allem die Mathematik, die die Iren schätzten: die Arithmetik für die Buchführung, die Geometrie für die Landmesserei und selbst die Astronomie. Die besten Mathematiklehrer der Hedge Schools schrieben stolz »Philomath« hinter ihre Namen. Ein alter Mann namens O’Brien, den O’Toole kennen gelernt hatte und der in ganz Irland als »der große O’Brien« bekannt war, genoss in Mathematikerkreisen einen Ruf, der bis nach Italien reichte. So war das illegale Erziehungswesen für Katholiken im Irland des 18. Jahrhunderts beschaffen.
    Wenn O’Toole nur ein bescheidener Mathematiker war, so lagen seine Stärken auf anderen Gebieten. Mit seiner Dichtung und seiner Musik hatte er sich einen Namen gemacht und galt als bedeutende Größe, auch wenn er nicht ganz das Niveau des Komponisten und Harfners Turlough O’Carolan erreichte, der mit 18 Jahren an Pocken erkrankt und erblindet war. Vor sechs Jahren war O’Carolan verstorben.
    Im Lateinunterricht mussten O’Tooles Schüler den Text zunächst ins Irische, dann ins Englische übersetzen. Er unterwies sie sogar in englischem Recht, was ihnen später von Nutzen sein konnte. Drei seiner ehemaligen Zöglinge hatten es als Kaufleute in Dublin und Wicklow weit gebracht, und ein anderer war nach Frankreich gegangen und studierte dort an einem Priesterseminar – keine schlechte Bilanz für ein kleines Dorf in den Bergen, wie er fand.
    Natürlich machten sich nicht alle seine Schüler so gut. Bei den Brennans etwa erreichte O’Toole so gut wie nichts. Aber er musste es weiter versuchen. Er seufzte.
    »Conall, geh und halte Wache.«
    Budge ließ die kleine Schule gewöhnlich in Ruhe, solange sie unsichtbar blieb, obwohl er ihr Tun zutiefst missbilligte. Doch in seiner Eigenschaft als der hiesige Grundherr und Friedensrichter ritt er bisweilen aus und versuchte, eine Klasse auf frischer Tat zu ertappen. Sollte ihm das gelingen, würde es mit Sicherheit Ärger geben. Daher stellte O’Toole wie die meisten Hedge Schools während des Unterrichts einen Wachposten auf.
    »Also, Patrick«, sagte er jetzt so freundlich, wie er konnte, zu dem ältesten der Brennan-Jungen, »lass mich hören, wie du liest.«
    Während der Junge sich stotternd durch einen einfachen Abschnitt quälte – O’Toole hatte Conall auch auf Wache geschickt, um ihm dieses Gestammel zu ersparen –, konnte sich der Lehrer nur wundern: Wie war es möglich, dass der junge Conall Smith, ein Kind, dessen Verstand so scharf war wie sein eigener, wenn nicht schärfer, ein halber Brennan war?
    Manchmal wünschte er, er hätte eingegriffen und Conalls Geburt verhindert. Es war ein närrischer Gedanke, gewiss, aber hätte er den Vater des Jungen vielleicht dazu überreden können, sein Leben zu ändern und sich eine andere Frau zu nehmen?
    Wie ihm schien, hatte er nur ein einziges Mal dazu Gelegenheit gehabt. An jenem Tag vor fast zwanzig Jahren, oben in Quilca. Er hatte sofort erkannt, dass Garret Smith ein begabter junger Mann war. Aber er hatte auch seinen Zorn und seine Verbitterung gespürt. Wie sollte ein intelligenter katholischer Junge auch anders empfinden? Aber wenn er doch nur geahnt hätte, was in Garrets Kopf vorging, als dieser ihn fragte, ob er die Brennans kenne, und ihm am nächsten Morgen bei seiner Abreise mitteilte, dass er ihn in Rathconan besuchen würde. Wenn er es doch nur geahnt hätte!
    Was hätte er tun können? Er hätte seinen ganzen Einfluss geltend machen und den jungen Mann beschwören können, einen anderen Weg einzuschlagen. Nur um wenigstens zu verhindern, dass er diesem ungebildeten Mädchen nachlief und in die nichtswürdige Brennan-Familie oben in Rathconan einheiratete. Wäre ihm das gelungen, wäre es jetzt bestimmt nicht so schlecht um Garret Smith bestellt, und Conall würde unter ganz anderen Familienverhältnissen aufwachsen.
    Doch als O’Toole in jenem Herbst

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