Die Rebellen von Irland
Garret Smith. Nach der Vertreibung von Walter Smiths Familie war das Landgut Rathconan zu einem Schleuderpreis zum Verkauf angeboten worden. Benjamin Budge hatte nicht den Wunsch verspürt, dorthin zurückzukehren, aber sein jüngerer Bruder, der aus härterem Holz geschnitzt war, hatte es mit Freuden gekauft. Die Budges konnten von sich behaupten, mittlerweile seit vier Generationen in Rathconan zu leben.
Er hatte noch nicht entschieden, was mit dem jungen Smith geschehen sollte. O’Toole würde keine Schwierigkeiten machen. Dafür hatte er bereits gesorgt. Und was den Vater des Jungen anging …
Aber der Junge konnte warten. Heute hatte er mit Garret Smith etwas anderes zu besprechen. Es ging um Rathconan House.
Wenn die alten Herren von Rathconan das Haus jetzt hätten sehen können, wären sie wohl ziemlich überrascht gewesen. Vielleicht hätten sie es sogar zum Lachen gefunden. Dabei sah es wie unzählige andere alte Häuser in Irland aus. Da der alte Turm irgendwann zu klein geworden war, hatte Budges Vater quer davor ein bescheidenes Haus errichtet, rechteckig und fünf Fenster breit. Es war in keinem speziellen Stil gehalten, aber mit seinen schmucklosen Fenstern hätte es georgianisch genannt werden können. Man hatte keinen Versuch unternommen, das Haus oder den alten, dahinter aufragenden Turm so zu verändern, dass sie sich zu einem harmonischen Ganzen verbanden. Das neue Rathconan war das, wonach es aussah: ein Haus, das man vor ein altes Fort gesetzt hatte.
Aber Robert Budge war hier zur Welt gekommen und aufgewachsen, und er war stolz darauf. Natürlich wurde er von den alteingesessenen Iren wie alle cromwellschen Siedler immer noch als unerwünschter Kolonist betrachtet. Und natürlich war er stolz darauf, Engländer und Protestant zu sein. Denn wenn die cromwellschen Familien nicht hier waren, um den protestantischen Glauben hochzuhalten und die konfiszierten Landgüter der früheren katholischen Besitzer mit Beschlag zu belegen, mit welcher Berechtigung waren sie dann überhaupt in Irland? So war sein Vater, ein Mann, der längst nicht so strenggläubig gewesen war wie der alte Barnaby Budge, mit seiner mehr oder weniger presbyterianischen Familie entschlossen der königlichen Kirche von Irland beigetreten, weil, wie er sich ausgedrückt hatte, »wir alle zusammenhalten müssen«.
»Denk immer daran«, hatte er Robert vor seinem Tod eingeschärft, »die guten Leute hier kennen dich schon dein Leben lang. Sie bearbeiten dein Land, und sie werden dich wahrscheinlich mit ›Euer Gnaden‹ anreden und dich jeden Tag grüßen. Aber wenn unsere Ordnung zusammenbricht, mein Sohn, werden sie dir ein Messer zwischen die Rippen stoßen. Vergiss das nie.«
Es war fast ein Jahrhundert her, dass Roberts Urgroßvater Barnaby hierher gekommen war. Und seitdem waren die anglo-irischen Siedler in gewisser Weise mit dem Land verwachsen. Wenn sich die Männer im irischen Parlament von ihren Landsleuten in London wie Fremde behandelt fühlten, so hatte die Schicht der kleineren anglo-irischen Grundbesitzer hier draußen auf dem Land einen ganz eigenen Menschenschlag hervorgebracht.
Sein Vater war dafür ein typisches Beispiel. Er hatte fast sein ganzes Leben in Rathconan verbracht und das Gut wie seine Westentasche gekannt. Er sprach Englisch mit einem ausgeprägten irischen Tonfall und betrachtete viele Seiten seines Lebens, darunter auch die Erziehung seiner Kinder, mit einer gewissen vornehmen Nachlässigkeit. Bestärkt wurde er darin von seiner Frau, die aus einer ähnlichen Familie mit denselben Anschauungen kam.
Natürlich schickten einige anglo-irische Familien ihre Söhne nach Oxford, Cambridge oder aufs Trinity College in Dublin. Nicht aber die Budges. Die Kinder erhielten, Jungen wie Mädchen, eine schulische Grunderziehung, aber mehr galt als überflüssig.
»Mein Vater«, pflegte Robert vergnügt seinen Freunden zu erzählen, »hatte eine Pfeife, mit der er seine Hunde rief. Aber wenn er zweimal pfiff, war ich gemeint.« Als die Mutter seine Schwester dabei ertappte, wie sie ein Buch las, statt an der frischen Luft zu spielen, sperrte sie sie zwei Stunden lang in einen dunklen Schrank und drohte ihr anschließend eine Tracht Prügel an, wenn sie sich noch einmal dabei erwischen ließ. Die Kinder der Budges wurden dazu erzogen, stark zu sein, Ländereien zu verwalten und, wenn nötig, zu kämpfen. Die Liebe zur Natur hatten die Budges mit den irischen Clanchefs gemein, die vor ihnen hier gelebt
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