Die Rebellen von Irland
nach Rathconan zurückgekehrt war, wohnte Garret bereits bei den Brennans, war voller Groll und Verachtung gegen Nary, der das Mädchen fortgeschickt hatte, gegen Sheridan, die Walshs und ihresgleichen. Garret hing dem törichten Glauben an, er sei in einer Hütte in den Bergen ein freierer und besserer Mensch, als wenn er für den Krämer MacGowan in Dublin arbeitete. Wäre es nur darum gegangen, in den Bergen zu leben, hätte er vielleicht Recht gehabt. Ein Mann konnte in der unberührten Natur oder im großartigen Heiligtum Glendalough zu sich selbst finden. Aber in einer Hütte zusammen mit den Brennans? Das konnte sich O’Toole nicht vorstellen.
Innerhalb eines Jahres hatte ihm Kitty Brennan ein Kind geboren, bald darauf ein zweites. Garret hätte sie seiner Ansicht nach einfach sitzen lassen sollen. Aber dafür war er zu anständig. Stattdessen war er zu einem Priester gegangen und hatte Kitty geheiratet. Damit war sein Schicksal besiegelt.
Er hätte Lehrer in einer Hedge School werden sollen. Dafür hätte er mehr lernen müssen, aber das Zeug dazu hätte Garret gehabt. Jetzt war er ein Tagelöhner, ein Tischler und Holzschnitzer, der Aufträge für Figuren entgegennahm, die er nie lieferte. Ein Dichter, der seine Verse nie vollendete, ein Tagträumer, dessen jakobitische Visionen keine Aussicht hatten, jemals in Erfüllung zu gehen. Ein Trinker, der sich von Jahr zu Jahr mehr dem Trunk ergab. Ein Ehemann, der seine Frau inzwischen begraben hatte und der die Angehörigen seiner Frau in seinem Innersten längst verabscheuen musste, denn sie waren schmutzig, faul und dumm. Ein Vater, der seinen verlotterten Kindern von der jakobitischen Sache und dem Unrecht erzählte, das man ihm angetan hatte, oder sie verwünschte, ehe er in Trübsinn versank.
Er hatte drei Töchter, die noch am Leben waren. Zwei, in O’Tooles Augen Schlampen wie ihre Mutter, hatten im Tal geheiratet. Die dritte war Dienstmädchen in Wicklow. Zwei Jungen waren im Säuglingsalter gestorben. Und dann war, wie durch ein Wunder, Conall auf die Welt gekommen.
»Ich fürchte, er wird wie die anderen Jungen sterben«, hatte der Priester, der die Taufe vorgenommen hatte, zu O’Toole gesagt. Fast jeder in Rathconan hatte das geglaubt. Er sah ihn noch vor sich, wie er im Alter von drei Jahren aussah, so blass und schwächlich, mit diesen wunderbaren grünen Augen. Ein so bezauberndes Kerlchen, dass einem das Herz brechen wollte bei dem Gedanken, wie wenig Zeit ihm voraussichtlich blieb, das Leben kennen zu lernen. Als O’Tooles kleine Enkelin Deirdre, die nur zwei Monate jünger war, sich mit dem Jungen anfreundete, versuchte er behutsam zu verhindern, dass die Freundschaft zu innig wurde, um ihr allzu großes Leid zu ersparen, wenn der Junge starb. Aber er konnte sie schwerlich davon abhalten, mit ihm zu spielen oder Hand in Hand mit ihm den Berg hinaufzuwandern zu der Stelle, wo die Schafe weideten, oder sich mit ihm auf den Felsen zu setzen, der den vom Bergbach gespeisten Teich überragte, ihr Essen mit ihm zu teilen und stundenlang zu reden.
»Worüber sprecht ihr denn, Deirdre?«, hatte er sie einmal gefragt.
»Ach, über alles«, hatte sie geantwortet. »Manchmal erzählt er mir Geschichten von den Fischen im Bach, von den Vögeln oder den Rehen im Wald. Ich hab ihn sehr lieb.« Und obwohl ihm das Herz blutete, wusste er nicht, was er sagen sollte.
Der Junge war sechs, als Garret ihn zu ihm brachte. Überraschenderweise hatte er sogar das erforderliche Schulgeld dabei.
»Unterrichten Sie ihn«, sagte er zu O’Toole. »Bringen Sie ihm alles bei, was Sie wissen.«
»Fürs Erste könnten Sie ihn selbst unterrichten«, erwiderte O’Toole. »Umsonst.«
»Nein«, erwiderte Smith auffahrend, und nach einer Pause fügte er hinzu: »Ich bin kein geeigneter Lehrer für ihn.« Ein schreckliches Eingeständnis, aber was sollte O’Toole darauf erwidern?
Also begann er, den Jungen zu unterrichten. Und er staunte. Der kleine Kerl hatte ein phänomenales Gedächtnis. Was man ihm einmal sagte, vergaß er nie wieder. Seine Denkweise, so stellte O’Toole bald fest, war ganz und gar ungewöhnlich. Er hörte ruhig zu, dann stellte er eine Frage, die bewies, dass er bereits jeden Aspekt des Gegenstands bedacht hatte und dabei auf den Punkt gestoßen war, den man vorläufig weggelassen hatte, um das Verständnis zu erleichtern. Was O’Toole jedoch am meisten freute, war die Ausdrucksweise des Jungen: seine merkwürdigen, halb spielerischen
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