Die Rebellen von Irland
Grenze zu Wicklow unter Druck geraten. Von Dublin, hieß es, sei eine große Armee im Anmarsch.
Dann regnete es zum ersten Mal seit Wochen. Am selben Tag traf Kelly auf Mount Walsh ein. Er begrüßte Brigid lächelnd, doch Brigid spürte seine Erregung.
»Geht es Patrick besser?«, fragte er. »Kann er reiten?«
»Warum?«
»Die Regierungstruppen nähern sich von Norden. Alles weicht vor ihnen zurück. Patrick darf nicht hierbleiben. Man kennt ihn. Wenn man ihn hier findet …«
»Wohin soll er fliehen?«
»Er kann mit mir kommen. Drunten in Wexford steht immer noch eine große Rebellenarmee. Dort müsste er sicher sein.« Kelly grinste. »Seien Sie unbesorgt, Brigid. Notfalls bringe ich ihn in Wexford auf ein Schiff nach Frankreich.«
»Umso besser«, sagte Brigid, »denn ich komme mit.«
Doch Patrick wollte, als er zu ihrem Gespräch dazukam, nichts davon hören.
»Denk an die Kinder«, sagte er. »Du hast mit dem Aufstand nichts zu tun. Nur hinter mir sind sie her. Und du bist hier sicherer als sonst wo.« Er wandte sich an William. »Du passt auf sie auf, William, ich verlasse mich auf dich. Versprichst du mir das?«
Kelly unterstützte ihn nach Kräften.
»Wenn sie Patrick hier nicht finden, gehen sie wieder«, sagte er. Er sah William an. »Und ob sie nun von Ihrem Streit mit Ihrem Vater wissen oder nicht, jedenfalls brauchen Sie nur zu sagen, Sie seien der Sohn von Lord Mountwalsh und in Mountwalsh befänden sich keine Rebellen, und man wird nicht wagen, Sie zu belästigen.«
Brigid wusste, dass die beiden Männer Recht hatten. Es war die einzige Lösung. Sie sah Patrick lange an, dann sagte sie: »Ich helfe dir beim Packen.«
Zehn Minuten später war Patrick reisefertig.
Sie standen an der Tür. Patricks Pferd wurde aus dem Stall geführt. Es regnete lautlos, und die Landschaft hinter der Rasenfläche vor dem Haus verschwand im Nebel. Brigid wusste nicht, wie ihr geschah, so schnell war alles gegangen.
»Mir wird nichts passieren«, sagte Patrick. Er wandte sich noch einmal an William. »Denk an dein Versprechen.«
»Ich werde auf eine Nachricht von dir warten.« Brigid stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste Patrick auf die Wange. Sie spürte den Regen im Gesicht. »Danke für mein Leben«, flüsterte sie.
Er tat, als habe er sie nicht gehört.
»Wenn du die Kinder vor mir siehst, grüße sie zärtlich von mir.«
William half Patrick in den Sattel. Patrick ritt neben Kelly her, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Brigid starrte ihm regungslos nach. Der lautlos fallende, graue Regen hüllte alles ein – wie ein Vorhang, so schien es ihr, der sich am Ende eines Theaterstückes senkte.
Es war eine Nacht kurz vor der Sommersonnenwende. Unter ihnen lag die kleine Stadt Enniscorthy. Die Tore waren geschlossen und mit Wachen besetzt. Hunderte von Rebellen hatten in der Stadt Quartier bezogen, genug jedenfalls, um sie zu verteidigen. Doch die Hauptarmee lagerte hier oben auf den lieblichen Hängen des Vinegar Hill.
***
Es war Kellys Idee gewesen. »Wir ziehen nach oben, Patrick«, hatte er gesagt. »Unsere Größe gibt uns Sicherheit.«
Patrick hatte sich gefreut. Die Sommernacht war warm und klar. Über seinem Kopf funkelten für einige kurze Stunden bis zur Morgendämmerung hell und ewig die Sterne.
Die Stellung war gut gewählt. Die Vorausabteilungen der United Irishmen hatten General Lake, der von Norden heranrückte, nicht aufhalten können. Doch in Enniscorthy erwartete die Briten eine viel größere Streitmacht, an die zwanzigtausend Mann, bewaffnet mit Karabinern und Geschützen. »Wir sind doppelt so viele«, hatte Kelly gesagt. »Und auch das Gelände ist für uns vorteilhaft.« Der Vinegar Hill ließ sich hervorragend verteidigen. Um sich den droben verschanzten Rebellen zu nähern, mussten die Briten auf allen Seiten steile Hänge erklimmen. Von einem ähnlichen Hügel aus hatten die Rebellen erst vor einem Monat und noch ohne die Feuerwaffen die gut ausgebildete Miliz von North Cork vertrieben. Deshalb erfüllte sie jetzt Zuversicht.
Patrick war glücklich. Er war freiwillig hier. Er hätte auch nach Wexford reiten und ein Schiff besteigen oder sich in den ein Dutzend Meilen entfernten Bergen verstecken können. Doch er hätte sich schuldig gefühlt, seine Kameraden jetzt im Stich zu lassen, nachdem er schon die vielen Rückschläge der vergangenen drei Wochen versäumt hatte. Tüchtige Burschen waren sie allesamt. Zuneigung für Kelly, für die Tausende unbekannter
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