Die Rebellen von Irland
zu drängen. Patrick und Kelly standen mit gezogenen Pistolen und Degen am hinteren Ende der Streitmacht, hinter einer Reihe von Pikenieren. Sie gelangten nie zum Fuß des Hügels. Der Angriff kam im gegnerischen Feuer zum Stehen. Die Rebellen flohen wieder den Hügel hinauf. Die Engländer nutzten die allgemeine Verwirrung, ihre Kanonen weiter nach vorn zu schieben. Patrick bemerkte es erschrocken und feuerte seine Pistole ab, doch sah er niemanden fallen.
Wenig später versuchten die Rebellen einen zweiten Angriff, doch mit dem gleichen Ergebnis.
Drunten vor Enniscorthy versuchten englische Soldaten die Brücke zu erobern, die in die Stadt führte, um den Iren den Fluchtweg abzuschneiden. Doch wenigstens in der Stadt behielten die Rebellen die Oberhand und schlugen die Briten erfolgreich zurück.
Die Zeit verging. Der Beschuss durch die Kanonen hielt an, die Hitze war unerträglich. Patrick stellte fest, dass er die Kanonen kaum noch hörte, obwohl sie weiter donnerten. Eine seltsam unwirkliche Stille hatte sich über den Hügel gesenkt. Er sah sich um. Wie viel war von der Rebellenarmee noch übrig? Die Hälfte? Vermutlich. Doch schienen die Männer in ihren Bewegungen verlangsamt, als hätten sie alle Zeit der Welt. Apropos Zeit, wie spät war es überhaupt? Auch das wusste er nicht. Die Sonne stand hoch am Himmel.
Eine neue Entwicklung schien eingetreten. Kelly rief ihm etwas zu und lud seine Pistole. Die Engländer kamen. Sie kamen die Rückseite des Hügels herauf. Patrick nickte und richtete die Pistole hangaufwärts. Er jedenfalls war bereit.
Er hörte ein Zischen und einen Schrei. Er spürte, wie Kelly ihn unsanft am Kragen packte und von etwas weg zerrte. Er stolperte, ein Blitz zuckte auf und im nächsten Moment lag er auf dem Boden. Kelly lag neben ihm, seltsam aufgestützt, als versuche er ein Buch unmittelbar vor seiner Brust zu lesen. Doch die eine Seite seines Kopfes war nur noch ein klaffendes, blutiges Loch. Patrick starrte ihn an. Kelly war tot. Patrick selbst schien nichts zu fehlen. Doch als er aufstehen wollte, versagte sein linkes Bein den Dienst. Seltsam. Er streckte die Hand danach aus und runzelte die Stirn. Das Bein fühlte sich nass an. Er sah an ihm hinunter. Aus einem langen Schnitt entlang des Oberschenkels rann Blut, in der Wunde steckte ein Metallsplitter. Schmerzen hatte er kaum. Er würde sich gleich darum kümmern. Zuerst musste er noch etwas anderes tun.
Er sah zur Kuppe des Hügels hinauf. Von dort rückten die Engländer an. Schwarz hoben sie sich vom Himmel ab. Einige Rebellen leisteten ihnen tapfer Widerstand, andere flohen. Patrick hob die Pistole und versuchte sie ruhig zu halten. Jetzt war die Gelegenheit zum Schuss gekommen, und diesmal würde er treffen.
***
Jonah Budge hatte die Schlacht auf keinen Fall versäumen wollen. Er und ein Dutzend seiner Freisassen hatten sich Lakes Armee auf dem Weg nach Süden angeschlossen. Seine restlichen Männer hatte er unter dem Befehl eines Stellvertreters zurückgelassen, einem vertrauenswürdigen Kaufmann aus Wicklow.
Er hatte an diesem Tag schon eine wertvolle Lektion gelernt. Damals nach der Verschwörung in Rathconan, als er die Dörfer in den Wicklow-Bergen von Rebellen gesäubert hatte, erwarb er sich einen Ruf für schnelles Handeln, auf den er sehr stolz war. Sobald er auf Widerstand traf oder eine Scheune brannte – was nicht selten vorkam –, handelte er sofort. Durch seine Schnelligkeit und Brutalität hatte er zweimal verhindert, dass Protestanten ermordet oder bei lebendigem Leibe verbrannt wurden.
Lake dagegen, wenngleich nicht weniger brutal, ging vorsichtiger zu Werk. Jonah Budge wäre am liebsten schon im Morgengrauen den Hügel hinaufgestürmt, doch Lake wartete ab und zermürbte die Rebellen mit seiner Artillerie, als seien sie eine Festung, deren Mauern in Trümmer geschossen werden müssten.
»Die Rebellen sind eine Armee und werden auch wie eine kämpfen«, hatte er gemahnt. »Wenn ich zu früh angreife, verliere ich die Hälfte meiner Männer.« Die Rebellen in der Stadt hatten sich auch tatsächlich wacker geschlagen und dem Gegner eine blutige Abfuhr erteilt. Lake wusste deshalb, was er tat, und das verdiente Respekt. Während die armen Teufel auf dem Hügel jämmerlich zugrunde gingen, hatte er kaum einen Mann verloren.
Doch jetzt konnte er endlich loslegen, dachte Budge und stürmte hangaufwärts. Die erschöpften Rebellen leisteten erbittert Widerstand. Regierungssoldaten fielen. Doch die
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